Keine unmittelbare Anwendbarkeit der Aarhus-Konvention im innerstaatlichen Recht
Ein Verein beantragte die Zuerkennung der Parteistellung in einem Verfahren zur "7,5-Tonnage-Beschränkung auf der LB 320" Ennstalstraße. Er berief sich auf seine "Anerkennung als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000". Die Parteistellung in einem Verfahren nach § 43 StVO 1960, womit eine Gewichtsbeschränkung (Tonnagen-Limit) auf der Ennstalstraße verfügt werden sollte, begründete der Beschwerdeführer mit seinen besonderen Kenntnissen in Umweltfragen, insbesondere die sensible Alpenregion des Ennstales betreffend.
Der Antrag wurde von der BH ebenso zurückgewiesen, die nachfolgende Berufung und die Beschwerde an den VwGH waren nicht erfolgreich.
Begründung des VwGH: In den Erläuterungen zur Genehmigung des Abschlusses des Übereinkommens von Aarhus durch den Nationalrat (BGBl. III Nr. 88/2005) wird angemerkt, dass das Übereinkommen einer unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich ist (von einem Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG wurde allerdings abgesehen, da das Übereinkommen als gemischtes Abkommen teilweise in die Zuständigkeit der Europäischen Union fällt; vgl. 654 Blg. NR XXII. GP 2). Subjektive Rechte können daher aus dem Übereinkommen von Aarhus nicht abgeleitet werden (zur fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus im innerstaatlichen Recht vgl. den Bescheid des Umweltsenates vom 22. Juni 2011, Zl. US 3C/2011/5-8; zur fehlenden unmittelbaren Wirkung dieser Bestimmung im Unionsrecht vgl. Urteil EuGH 8. März 2011, C 240/09, Lesoochraraske zoskupenie = „Slowakischer Braunbär“).
Ein Verordnungserlassungsverfahren nach § 43 Abs. 2 StVO 1960 fällt nicht in den Anwendungsbereich der UVP-RL, sodass deren Bestimmungen auf das Verfahren nach § 43 Abs. 2 StVO 1960 nicht anzuwenden sind.
VwGH 21. 3. 2013, AW 2013/05/0011
Voraussetzungen der Zuerkennung aufschiebender Wirkung bei Bundesstraßenprojekten
Ob ein durch ein genehmigtes Bundesstraßenprojekt verursachter (behaupteter) Eingriff in die von den in § 19 Abs 4 UVP-G genannten Umweltschutzvorschriften geschützten Interessen einen „unverhältnismäßigen Nachteil“ iSd § 30 Abs 2 VwGG darstellt, ist ua daran zu beurteilen, inwieweit die Folgen des Eingriffs im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides beseitigt werden können, wobei den Antragsteller eine Konkretisierungspflicht trifft. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorigen Zustandes ab. Zur Frage, ob die Aarhus-Konvention verlange, dass aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, siehe unten VwGH 09.10.2013, AW 2013/10/0036 .
VwGH 20. 6. 2013, Zlen. 2012/06/0092, 0093
Parteistellung der Nachbarn im Abnahmeverfahren
nach § 20 UVP-G
Der VwGH hob die nachträgliche Genehmigung für
eine Projektänderung des Vorhabens “Spielberg NEU” auf und
traf wichtige Aussagen zum
Anwendungsbereich des § 20 Abs 4 UVP-G (idF BGBl I 2009/87).
Das mit Bescheid der
Steiermärkischen Landesregierung vom 12. September 2007 nach dem
Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) genehmigte “Vorhaben
Spielberg NEU” beinhaltete auch die Errichtung des sogenannten „Partnergebäudes".
Während der Ausführung änderte die Projektwerberin ihr Vorhaben insofern, als
anstelle des ursprünglich geplanten und genehmigten Partnergebäudes mit Flügel
und Tribünen für insgesamt 6.832 Personen eine Überlastschüttung (Erdwall)
errichtet wurde, die bis zur Realisierung des ursprünglich geplanten
Partnergebäudes erhalten bleiben soll. Im Zuge eines sog. Abnahmeverfahrens
wurde die Überlastschüttung mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung
vom 25. Februar 2011 als geringfügige Abweichung genehmigt. Diesem
Abnahmeverfahren wurden zwei betroffene Nachbarn nicht beigezogen. Ihre Anträge
auf Zuerkennung ihrer Parteistellung wies die Steiermärkische Landesregierung
ab; die Berufungen an den Umweltsenat blieben erfolglos (Bescheide vom 30.
April 2012).
Dagegen wandten sich die
Nachbarn an den Verwaltungsgerichtshof, der die Frage zu prüfen hatte, ob
Nachbarn/Nachbarinnen, die grundsätzlich von den Auswirkungen des
UVP-pflichtigen Vorhabens gefährdet oder belästigt werden können, im Verfahren
zur Abnahmeprüfung gemäß § 20 UVP-G 2000 Parteistellung haben, wenn gemäß dessen
Abs. 4 im Rahmen des Abnahmebescheides Abweichungen vom ursprünglich
genehmigten Vorhaben nachträglich genehmigt werden sollen. Nach § 20 UVP-G 2000
muss die Projektwerberin vor Inbetriebnahme die Fertigstellung anzeigen, worauf
die Behörde eine Abnahmeprüfung durchführt. Entspricht die Ausführung der
Genehmigung, ergeht ein Abnahmebescheid. Werden hingegen Abweichungen von der
Genehmigung festgestellt, muss die Behörde deren Beseitigung auftragen;
allerdings besteht die Möglichkeit, dass geringfügiger Abweichungen gemäß § 20
Abs. 4 UVP-G 2000 nachträglich genehmigt werden, wenn sie den Ergebnissen der
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht widersprechen und den betroffenen Parteien
Gelegenheit zur Wahrung ihrer Interessen gegeben wurde. Nachbarn/Nachbarinnen, die
durch Abweichungen gefährdet oder belästigt werden könnten, müssen somit im
Verfahren zur nachträglichen Genehmigung geringfügiger Abweichungen gehört
werden; ob eine Beeinträchtigung tatsächlich stattfindet, ist Gegenstand des
weiteren Verfahrens. Im vorliegenden Fall ist gerade strittig, ob die Nachbarn
durch den Erdwall anders betroffen sein können als bei Errichtung des Vorhabens
in der genehmigten Form. Es war ihnen mangels Parteistellung nicht möglich, zu
überprüfen, ob sich etwa die Schallauswirkungen bei Verwirklichung der
Überlastschüttung innerhalb des genehmigten Immissionskontingentes bewegen oder
dieses allenfalls übersteigen. Sie rügen daher zu Recht, dass es ihnen mangels
Zuerkennung der Parteistellung nicht möglich war, von den Ergebnissen des
Ermittlungsverfahrens Kenntnis zu erlangen, dazu Stellung zu nehmen und somit
ihre Interessen wahrzunehmen.
Ob, wie die Behörden meinen, die Nachbarn nicht anders als bisher betroffen
bzw. teilweise sogar besser vor den Lärmimmissionen geschützt seien als bei
Errichtung des genehmigten Partnergebäudes, kann erst beurteilt werden, wenn
den Nachbarn im Rahmen des Abnahmeprüfungsverfahrens Parteiengehör eingeräumt
wurde. Da die Behörden in Verkennung der Voraussetzungen des § 20 Abs. 4
zweiter Satz UVP-G 2000 die Anträge der Nachbarn auf Zuerkennung der
Parteistellung im Abnahmeprüfungsverfahren abwies, belastete sie ihre Bescheide
mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit,
weshalb diese vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurden.
VwGH 27. 9. 2013, 2010/05/0202 (UVP-G 2000; AVG)
Präklusionsbestimmungen iSd § 44a iVm § 44b Abs 1
AVG entspricht im Rahmen des UVP-Genehmigungsverfahrens unionsrechtlichen
Anforderungen
Bürgerinitiative kann Parteistellung mangels
rechtzeitige Erhebung von Einwendungen bzw nicht rechtzeitiger Bildung einer
Bürgerinitiative im Genehmigungsverfahren nicht erlangen; der Hinweis auf die
Präklusionsfolgen war in der Projektkundmachung enthalten; Behörde muss auf die
Möglichkeit der „Quasi-Wiedereinsetzung“ nicht aufmerksam machen; die
Nichtbeachtung der im Widerspruch zur irrtümlichen Annahme der Bf stehenden
Beschreibungen im Edikt und Informationen in den Antragsunterlagen stellt ein
Verschulden der BI (ihrer Proponenten) dar, das den eines minderen Grades des
Versehens übersteigt; für die Entstehung der Parteistellung einer BI im
Genehmigungsverfahren ist die ordnungsgemäße Einbringung der Stellungnahme und
der Unterschriftenliste maßgeblich.
Im Hinblick auf die
Grenzen der verfahrensrechtlichen Gestaltungsautonomie des nationalen
Gesetzgebers bei der Umsetzung des Art 10a UVP-RL (nunmehr Art 11 der RL 2011/92/EU)
und sohin auf den unionsrechtlich vorgegebenen Effektivitätsgrundsatz hat der
EuGH in seinem Urteil vom 12. Mai 2011, in der Rechtsache C-115/09, Trianel,
dargelegt, dass die innerstaatlichen Regelungen den Umweltorganisationen nicht
die Möglichkeit nehmen dürfen, die Rolle zu spielen, die ihnen sowohl die RL
85/337 als auch das Übereinkommen von
Aarhus zuerkennen (Rn. 44). Eine
Unionswidrigkeit nationaler Präklusionsbestimmungen wurde darin aber ebenfalls
nicht ausgesprochen. Für die Anwendung des Effektivitätsgebots ist jeder Fall,
in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die
Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert,
unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren,
des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens zu prüfen. Dabei
sind gegebenenfalls die Grundsätze zur berücksichtigen, die dem nationalen
Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.B. der Schutz der Verteidigungsrechte,
der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens
(Hinweis Urteil des EuGH vom 14. Dezember 1995, C-312/93, Peterbroek, Rn. 14,
und das zur Zulässigkeit von Präklusionsfristen in einer - insofern dem
UVP-Genehmigungsverfahren vergleichbaren - vergaberechtlichen Sache ergangene
Urteil des EuGH vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache C-327/00, Santex, Rn.
56).
VwGH 9. 10. 2013, AW 2013/10/0036
Beschwerde gegen naturschutzbehördliche Bewilligung muss nicht jedenfalls aufschiebende Wirkung gemäß §30 Abs 2 VwGG zuerkannt werden; kein Verstoß gegen Aarhus-Konvention
Art 9 Abs 4 Aarhus
Konvention kann nicht dahin gedeutet werden kann, dass im
Anwendungsbereich der Konvention der vom Verwaltungsgerichtshof gewährte
Rechtsschutz nur dann angemessen und effektiv ist, wenn einer Beschwerde
jedenfalls aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Wenn die innerstaatliche
Regelung betreffend die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 30 Abs. 2 VwGG einerseits auf das
Nichtvorliegen zwingender öffentlicher Interessen, die der Zuerkennung einer
aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, bzw. auf die Vornahme einer
Interessenabwägung zwischen den in Frage kommenden öffentlichen Interessen und
der auf Seiten der Beschwerdeführer und Mitbeteiligter gegebenen Interessenlage
abstellt, steht dies mit Art 9 Abs 4 Aarhus -Konvention nicht im Widerspruch (vg.
den Beschluss des VwGH vom 08.06.2010, AW 2010/06/0001).
Stellungnahmen Dritter im Rahmen eines UVP-Vorverfahrens sind Umweltinformationen
Die Stellungnahmen der zuständigen Behörde bzw
Dritter im Rahmen eines UVP-Vorverfahrens nach § 4 UVP-G ("Scoping")
können Umweltinformation sein.
Ein Vorprüfungsverfahren
nach § 4 UVP-G 2000 befasst sich von seiner Zielsetzung her mit Informationen
über die Umwelt.VwGH 5. 3. 2014, 2012/05/0105
Umweltverträglichkeitsprüfung: Nebel als Immission
Der VwGH hat die
umstrittene Entscheidung des US im Fall GDKK Klagenfurt bestätigt. Aus dem Erkenntnis des VwGH
geht hervor, dass Nebel als “belästigende Immission” von Anrainern im
Genehmigungsverfahren geltend gemacht werden kann.
Der Ausstoß von Wasserdampf durch eine Betriebsanlage, der zu Nebelbildung
führen kann, ist als potentielle Belästigung der Nachbarn iSd § 74 Abs 2 GewO
1994 zu qualifizieren. Nur der Umstand, dass es (noch) kein wissenschaftlich
erprobtes und erwiesenes Verfahren zur näheren Berechnung der Nebelereignisse
gibt, bedeutet nicht, dass diese Nebelereignisse als irrelevant im Lichte der
hier maßgebenden Rechtslage hinzunehmen sind.
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