Das umstrittene Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt beschäftigt das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr: Nachdem der Verwaltungsgerichtshof die trotz Zurückziehung des Feststellungsantrages der Projektwerberin getroffene Feststellung, dass für das Vorhaben wegen dessen Auswirkungen auf das Weltkulturerbe eine UVP durchzuführen sei, als rechtswidrig aufgehoben hat, hat das BVwG das Beschwerdeverfahren nun mit Beschluss vom 15. Juli 2021, W104 2211511-1/110E, eingestellt. Und mittlerweile soll eine positiv formulierte "Draft Decision" der UNESCO sogar Hoffnung geben, dass Wien im kommenden Jahr wieder von der Roten Welterbe-Liste gestrichen werden könnte.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Erkenntnis im ersten
Rechtsgang vom 9. April 2019, W104 2211511.1/53E, seine Vorgangsweise, das Beschwerdeverfahren trotz
Zurückziehung des Feststellungsantrages fortzuführen, mit einer Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 29. November 2018, Ra 2016/06/0034, begründet. Danach liegt keine
Rechtsverletzung vor, wenn eine Behörde einen Feststellungsbescheid aufgrund einer zu
Unrecht angenommenen Antragstellung erlassen hat, wenn die Feststellung – wie nach § 3
Abs 7 UVP-G 2000 – auch von Amts wegen getroffen werden kann.
Der VwGH erachtete das
Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 29. November 2018 aufgrund der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde daher
als zuständig, der damals von der UVP-Behörde erlassene Feststellungsbescheid war nicht als rechtswidrig
aufzuheben. In diesem Fall hatte die Behörde den Feststellungsbescheid aufgrund des
Antrages einer – nicht antragsberechtigten – Umweltorganisation erlassen.
Aus der angeführten Rechtsprechung leitete das BVwG ab, dass in einem Fall wie dem
vorliegenden, in dem eine antragsberechtigte Partei einen Feststellungsantrag gestellt hat
und diesen im Beschwerdeverfahren zurückzieht, das Feststellungsverfahren ebenfalls weiterzuführen ist. Die sachliche Rechtfertigung hierfür sah das BVwG auch darin, dass nach Art 2 der UVP-Richtlinie die
Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu setzen haben, damit vor Erteilung der
Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder
ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer
Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.
Das BVwG hob daher den beschwerdegegenständlichen Bescheid der Wiener Landesregierung nicht wegen Antragsrückziehung als rechtswidrig auf und erachtete seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerden trotz Zurückziehung des Feststellungsantrages durch die Projektwerberin
weiterhin als gegeben.
Diese Sichtweise hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 2021, Ro 2019/05/0018, verworfen. Er legt darin dar, dass gemäß § 13 Abs 7 AVG Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden können; dies gelte auch
für den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs 7 UVP-G 2000.
Die Zurückziehung sei so lange zulässig, als der Antrag noch unerledigt ist. Die Zurückziehung
des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages während des anhängigen
Beschwerdeverfahrens bewirke den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des
Bescheides und damit nachträglich die Rechtswidrigkeit des Bescheides.
Das
Verwaltungsgericht habe in einem solchen Fall den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu
beheben, andernfalls es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belaste. Eine inhaltliche
Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages sei mit dessen rechtzeitiger und zulässiger
Zurückziehung ausgeschlossen.
Dies gelte auch in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der § 3 Abs 7 UVP-G 2000 auch
die Möglichkeit der amtswegigen Einleitung eines Feststellungsverfahrens vorsieht:
Ein amtswegiges Feststellungsverfahren durch die zuständige UVP-Behörde habe nicht
stattgefunden und das BVwG habe davon während der bei ihm anhängigen
Beschwerdeverfahren auch nicht ausgehen dürfen, da die UVP-Behörde zur Einleitung eines
amtswegigen Feststellungsverfahrens nicht verpflichtet sei und die Einleitung eines
amtswegigen Verfahrens jedenfalls einen entsprechenden Willensakt voraussetze, welcher
der zuständigen Behörde zuzurechnen ist und seinem Inhalt nach - objektiv betrachtet - darauf
abzielt, den Sachverhalt bezüglich der Voraussetzungen für den beabsichtigten
Verwaltungsakt zu klären.
Fallbezogen haben bereits während des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG jegliche Anhaltspunkte dafür gefehlt, dass das
gegenständliche Feststellungsverfahren - in Verfahrensunion - auch über amtswegige
Einleitung der zuständigen UVP-Behörde geführt worden sein könnte. Dass das
Feststellungsverfahren auch von Amts wegen - durch die zuständige Behörde - hätte geführt
werden können, sei in einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden, in der der
verfahrenseinleitende Antrag durch die Antragstellerin zurückgezogen wurde und der
Bescheid der Verwaltungsbehörde daher nach der ständigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes ersatzlos zu beheben ist, für die weitere Zuständigkeit des BVwG
zur Entscheidung über die Beschwerden in der Sache nicht ausreichend.
Auch die amtswegige Einleitung eines Feststellungsverfahrens durch das BVwG selbst scheide
aus.
Bei alldem spiele es auch keine Rolle, ob allfällige materienrechtliche Genehmigungsanträge
zurückgezogen würden oder nicht.
Das BVwG sei daher ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden
Antrages durch die Projektwerberin zur inhaltlichen Entscheidung über die Beschwerden nicht
mehr zuständig gewesen und hätte den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde wegen dessen
(nachträglicher) Rechtswidrigkeit aufzuheben gehabt.
Mit seinem Beschluss vom 15. Juli 2021 hat das BVwG daher nunmehr in Befolgung dieser Revisionsentscheidung des VwGH (§ 63 Abs 1 VwGG) den bei ihm bekämpften UVP-Feststellungsbescheid der Wiener Landesregierung - anstelle der ursprünglich abändernden Entscheidung - ersatzlos behoben.
Anhand der Lernunterlage des Vortragenden und den maßgeblichen Gesetzestexten werden die Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung zum UVP-Verfahren dargestellt und mit den Studierenden erörtert.
In einer schriftlichen Klausur sollen die Studierenden das erlernte Wissen und Können wiedergeben.