Sonntag, 23. April 2023

UVP-Verfahren im (Auf-)Wind?

 Als Teil des von der Bundesregierung beschlossenen „Energiepakets“ ist am 23. März 2023 die novellierte Fassung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G 2000) in Kraft getreten. Die vom Gesetzgeber mit dieser Novelle – der ersten Novelle des UVP-Gesetzes seit 2018 – verfolgten Ziele sind Erleichterungen für die Genehmigung von Vorhaben der Energiewende, eine Steigerung der Verfahrenseffizienz und die Herstellung der Konformität mit Unionsrecht und aktueller Rechtsprechung.

Von Wolfgang Berger / Oliver Schmidinger


Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung

Um der oftmals kritisierten überlangen Verfahrensdauer bei UVP-Verfahren und den Verzögerungen auch bei der Genehmigung von Vorhaben der Energiewende gegenzusteuern, finden sich nun durchaus effektive Gegenmaßnahmen im UVP-G:

Es ist der Behörde nunmehr ausdrücklich erlaubt, aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis die mündliche Verhandlung ganz oder teilweise online abzuhalten. Es können angemessene Fristen für weiteres Vorbringen gesetzt werden, wobei die Säumnis zur Präklusion für das gesamte Verfahren führt. Überdies setzt der Gesetzgeber der Problematik der Änderung des Standes der Technik während des laufenden Verfahrens insofern ein Ende, als der Stand der Technik mit dem „Zeitpunkt des Beginns der öffentlichen Auflage“ eingefroren wird („Freezing“). Auch das Verbot der Berücksichtigung von missbräuchlich oder unredlich erst im Beschwerdeverfahren erstattetem Vorbringen, das bereits im behördlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können, wurde nachgeschärft, womit das Rechtsmittelverfahren eine Beschleunigung erfahren soll.

Eine wesentliche Neuerung für Änderungsverfahren ist, dass nun im UVP-G generell geregelt ist, dass geplante Anlagenänderungen einer Anzeigepflicht unterliegen, wenn sie immissionsneutral sind oder eine technologische Weiterentwicklung mit nicht erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Schutzgüter darstellen und den Ergebnissen der UVP nicht widersprechen. Der Anzeige ist die Bestätigung eines Ziviltechnikers oder Ingenieursbüro beizulegen. Sollte die Behörde binnen vier Wochen ab Einlangen der Anzeige kein Änderungsverfahren einleiten, so sind die Änderungen nicht genehmigungspflichtig („grünes Licht für den Baubeginn“).

Vorhaben der Energiewende und ihre Privilegien

Um die dringend benötigten Vorhaben, die dem Klimawandel entgegenwirken, schneller umsetzen zu können, sieht die UVP-Novelle Privilegien für Vorhaben der Energiewende vor. 

Deren Legaldefinition (§ 7 Abs 2 UVP-G) lässt erkennen, dass diese einen möglichst breiten Anwendungsbereich haben sollen. Es sind etwa auch andere Vorhaben, die nicht selbst der Energieerzeugung dienen, aber notwendige Voraussetzung für den Ausbau darstellen, erfasst und es zählen ausdrücklich auch "Projekte des Eisenbahnausbaus nach § 23b oder der Z 10 des Anhanges 1" zu diesen privilegierten Vorhaben. Damit sind nicht nur Energievorhaben, sondern auch Hochleistungsstrecken der ÖBB, andere UVP-pflichtige Eisenbahnvorhaben und der U-Bahn-Ausbau "Energiewende-Vorhaben" im Sinne des UVP-G. 

Ausdrücklich enthält das UVP-Gesetz nun das Bekenntnis, dass Vorhaben der Energiewende als in hohem öffentlichen Interesse stehend gelten. Auch wenn damit noch keine umfassende Umsetzung der NotfallVO (EU) zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien vom 22. Dezember 2022 erfolgte (hierfür sollen eigene Bestimmungen über die generelle Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus erlassen werden – EABG; siehe unten), ist diese Bestimmung eine wesentliche Vordeterminierung für die Interessenabwägung bei UVP-Vorhaben.

Zu den hervorzuhebenden Privilegien für den Erneuerbaren- und Energiewende-Ausbau im UVP-G zählen weiters:

  • der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren, wenn im Rechtsmittel die Rechtsverletzung vom Beschwerdeführer nicht hinreichend konkret begründet wurde (Verhinderung von „Schablonenbeschwerden“);
  • der Ausschluss der Möglichkeit zur Antragsabweisung ausschließlich aufgrund von Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds, wenn im Rahmen der Energieraumplanung eine strategische Umweltprüfung durchgeführt wurde (Verhinderung von Doppelprüfungen).

Windkraft – ein verfassungsrechtliches Kunstwerk

Entsprechend der verfassungsrechtlichen Ermächtigung zur Bedarfsgesetzgebung und ähnlich dem Vorgehen im MinroG-Regime, hat der Bundesgesetzgeber mittels dem Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) die Länder zum Erlass eines überörtlichen Windenergieraumplans und zur Konkretisierung des Flächenwidmungsplans gemeinsam mit den Gemeinden verpflichtet. In den in der überörtlichen Planung ausgewiesenen Zonen dürfen unter Wahrung der Rechte Dritter, öffentlicher Interessen und Unionsrecht jedenfalls Windkraftanlagen errichtet werden, auch wenn die erforderliche Konkretisierung auf der örtlichen Planungsebene (Flächenwidmung) fehlen sollte. Fehlt in einem Bundesland auch eine aktuelle überörtliche Windenergieraumplanung, so soll auch dies der Genehmigung einer Anlage nicht entgegenstehen, wenn die Zustimmung der Standortgemeinde vorliegt, auf deren Gemeindegebiet die Fundamente der Windkraftanlagen errichtet werden sollen.

Ausblick – EABG Mit dem erst zu erlassenden Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) soll künftig zu Gunsten von Vorhaben der Energiewende ein einheitliches bundesrechtliches Verfahrensregime kommen. Ziel ist es für alle Vorhaben, die der Energiewende dienen, auch wenn sie unterhalb der Schwelle zur UVP-Pflicht liegen, ein konzentriertes Genehmigungsverfahren (One-Stop-Shop) zu schaffen. Ähnlich dem UVP-G und dem Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002) sollen auch Regelungen über zentrale Kundmachungen, Sachverständigen-Pools und Energieraumplanung (Go-To-Areas) darin Eingang finden

Quelle: Website Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH

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