Montag, 2. Mai 2016

Ausgewählte Rechtsprechung des VwGH zur UVP 2015 und 2016

Keine Parteistellung für Umweltorganisationen im Feststellungsverfahren

VwGH 28.5.2015, 2013/07/0105

§ 3 Abs 7a UVP-G idF UVP-G-Novelle 2012 begründete - im Unterschied etwa zu § 19 Abs 10 UVP-G, worin anerkannten Umweltorganisationen in Genehmigungsverfahren das Recht zur Erhebung einer Beschwerde an den VwGH eingeräumt ist - keine Parteistellung solcher Umweltorganisationen im Verfahren gemäß § 3 Abs 7 UVP-G und auch keine Legitimation zur Beschwerdeerhebung an den VwGH. An dieser Unterscheidung zwischen dem unverändert eng gebliebenen Kreis der Parteien des Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs 7 UVP-G und dem (bloßen) Überprüfungsrecht durch anerkannte Umweltorganisationen wurde auch in der UVP-G-Novelle 2013 festgehalten (vgl Materialien [RV 2252 der Beilagen XXIV. GP]). Die Konstruktion des § 3 Abs 7 in Vergleich mit § 3 Abs 7a UVP-G wurde so gewählt, dass der Kreis der Parteien in § 3 Abs 7 leg cit umfassend und abschließend festgeschrieben und nicht verändert (erweitert) wurde.

Bei der mit § 3 Abs 7a UVP-G geschaffenen Überprüfungsmöglichkeit handelt es sich um eine vom AVG abweichende Mitwirkungsmöglichkeit; diese Bestimmung enthält zudem weitere verfahrensrechtliche Vorschriften, die den Unterschied zu einem mit Parteien durchzuführenden Verfahren deutlich machen. Ein Recht (einer Umweltorganisation) auf Teilnahme am Feststellungsverfahren als Partei ergibt sich weder aus dem Aarhus-Übereinkommen (vgl U EuGH 15.7.2010, Rs C-240/09, Lesoochranarske zoskupenie) noch aus der UVP-RL oder der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL (vgl VwGH 27.4.2012, 2009/02/0239). Eine Parteistellung im Feststellungsverfahren ist unionsrechtlich nicht gefordert; es genügt die Möglichkeit, gem § 3 Abs 7a UVP-G einen nachgeschalteten Überprüfungsantrag stellen bzw nun eine Beschwerde an das VwG erheben zu können (vgl VwGH 18.11.2014, 2013/05/0022).

Aus dem U des EuGH vom 16.4.2015, C-570/13 Karoline Gruber, kann nicht zwingend die Einräumung einer Parteistellung im Feststellungsverfahren abgeleitet werden; geboten erscheint es allerdings, auch anerkannten Umweltorganisationen einen Rechtsbehelf zur Überprüfung der Feststellungsentscheidung (entweder im Zusammenhang mit dem Feststellungsverfahren oder im Genehmigungsverfahren, in dem insoweit die Bindungswirkung wegfiele) in die Hand zu geben. Das in § 3 Abs 7a UVP-G vorgesehene Instrument der Überprüfung des Feststellungsbescheides (nun: der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid) stellt einen solchen Rechtsbehelf dar (vgl auch EuGH 15.10.2009, C-263/08).
 

Nicht als Umweltorganisationen anerkannte Vereine gehören nicht zur "betroffenen Öffentlichkeit"

VwGH 17.2.2016, 2016/04/0001
 
Art 1 Abs 2 lit e UVP-RL spricht zwar ausdrücklich Umweltorganisationen als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit an, jedoch mit der Vorgabe, dass diese "alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen". Wie der EuGH bereits klargestellt hat, dürfen diese Voraussetzungen die Beteiligungsmöglichkeiten und den Zugang der Umweltorganisationen zu Gerichten nicht über Gebühr beschränken. Die nationalen Rechtsvorschriften müssen zum einen "einen weiten Zugang zu Gerichten" sicherstellen und zum anderen die praktische Wirksamkeit derjenigen Bestimmungen der UVP-RL gewährleisten, die die gerichtliche Anfechtung betreffen (vgl EuGH 15.10.2009, C-263/08 Djurgarden, Rn 45; 12.5.2011, C-115/09 Trianel, Rn 44). Dass die in § 19 Abs 6 bis 8 UVP-G vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen, die Umweltorganisationen für ihre Anerkennung erfüllen müssen, diesen unionsrechtlichen Vorgaben nicht entsprechen würden, ist nicht ersichtlich.

Auch aus dem U vom 16.04.2015, C-570/13 Gruber lässt sich für Vereine, die keine UO iSd § 19 UVP-G sind, nicht ableiten, dass diese Bestandteil der "betroffenen Öffentlichkeit" wären.`
 
 

Kein Antragsrecht der Standortgemeinde im Feststellungsverfahren

VwGH 27.1.2016, Ra 2015/05/0083 

Die Bestimmung des § 3 Abs 7 UVP-G trifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut eine umfassende und abschließende Regelung über den Kreis der Verfahrensparteien (VwGH 30.6.2004, 2004/04/0076; 28.5.2015, 2013/07/0105). Hierbei unterscheidet sie (ua) zwischen den Begriffen "mitwirkende Behörde" und "Standortgemeinde". Während nach dieser Gesetzesbestimmung der Standortgemeinde in einem Feststellungsverfahren Parteistellung und das Recht eingeräumt sind, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (sowie gegen dessen Entscheidung Revision an den VwGH) zu erheben, kommt das Recht, einen Antrag auf Feststellung zu stellen, neben dem Projektwerber und dem Umweltanwalt nur einer mitwirkenden Behörde iS des § 2 Abs 1 leg cit zu.
 
 

Revisionslegitimation des Umweltanwalts im Feststellungsverfahren


VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0079

Die Stellung des Umweltanwaltes im Feststellungsverfahren nach § 3 Abs 7 UVP-G ist die einer Formalpartei (vgl VwGH 22.6.2011, 2009/04/0029). Als Formalpartei kommen ihm im Verfahren gemäß § 3 Abs 7 UVP-G keine materiellen subjektiven Rechte zu, er kann aber die Verletzung seiner prozessualen Rechte beim VwGH geltend machen, die für ihn subjektive Rechte darstellen. Zur Durchsetzung der aus ihrer gesetzlichen Stellung folgenden prozessualen Befugnisse kommt Formalparteien auch Revisionslegitimation iSd Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG zu (vgl VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0066).
 
 

Rechte der "betroffenen Öffentlichkeit" in einem Verfahren, in dem das Materiengesetz keine Parteistellung einräumt  - potentielle Parteistellung von Nachbarn im Veranstaltungsrecht


VwGH 5.11.2015, Ro 2014/06/0078 

Wenn die Bestimmungen des nationalen Rechts über die Festlegung, was ein "ausreichendes Interesse" oder eine "Rechtsverletzung" iS des Art 11 UVP-RL darstellt, fallbezogen so restriktiv sind, dass sie es den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit unmöglich machen im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nach dem Stmk VeranstaltungsG 2012 geltend zu machen, dass über das Vorhaben eine UVP durchzuführen sei, so widerspricht ein solcher Ausschluss von durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechten dem Effektivitätsgrundsatz.

Wie der EuGH in seinem U vom 19.1.2010, in der Rs C-555/07, Kücükdeveci, aussprach, obliegt es den nationalen Gerichten, den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung zu gewährleisten. Er stellte dabei klar, dass die Notwendigkeit der Gewährleistung der vollen Wirksamkeit unionsrechtlicher Bestimmungen auch "bedeutet, dass das nationale Gericht eine in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende nationale Bestimmung, die es mit (dem Unionsrecht) für unvereinbar hält und die einer unionsrechtskonformen Auslegung nicht zugänglich ist, unangewendet lassen muss, ohne dass es verpflichtet oder gehindert wäre, zuvor den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen". Dies hat zur Folge, dass auf Grund der Nichtanwendbarkeit der restriktiven Regelung der Parteistellung des § 25 Stmk VeranstaltungsG 2012 die Nachbarn, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind (§ 8 AVG), fallbezogen gemäß den Bestimmungen der UVP-RL Parteistellung im Verfahren nach dem Stmk VeranstaltungsG 2012 haben müssen, um dort vorbringen zu können, dass das gegenständliche Vorhaben einer UVP zu unterziehen wäre.

Die Nachbarn können einen Antrag auf Zustellung des Bescheides, mit dem die BH eine Erhöhung der Besucherzahl genehmigte, stellen und im Rahmen einer Beschwerde ihre Argumente betreffend die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP nach der Richtlinie vorbringen. Damit ist den Anforderungen des EuGH (U v 16.4.2015, Rs C-570/13 Karoline Gruber), dass nämlich die betroffene Öffentlichkeit eine auf der Grundlage einer nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, keine UVP durchzuführen, im Rahmen eines gegen diese Entscheidung oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anfechten können muss, Genüge getan.

Für die Durchführung eines Feststellungsverfahrens bleibt somit kein Raum mehr und der VwGH sieht sich nicht veranlasst, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH oder ein Vorabentscheidungsverfahren bezüglich der Beteiligung potentieller Parteien eines UVP-Verfahrens im Genehmigungsverfahren einzuleiten.
 
 

Keine Anwendung der Bagatellgrenze von 25% bei "Umgehungsprojekten"

VwGH 29.9.2015, 2013/05/0077
 
Werden 25% des jeweiligen Schwellenwertes durch das konkrete Änderungsvorhaben nicht erreicht, ist keine Einzelfallprüfung unter Anwendung der Zusammenrechnungsregel des § 3a Abs 5 UVP-G durchzuführen (vgl VwGH 24.7.2014, 2011/07/0214, mwN). Anderes gilt nur, wenn eine Umgehung der UVP-Pflicht, etwa durch eine Aufsplitterung von Maßnahmen, erfolgen soll: In diesem Fall ist eine Einzelfallprüfung durchzuführen (vgl VwGH 29.3.2006, 2004/04/0129; 21.12.2011, 2006/04/0144; 7.9.2004, 2003/05/0218).

Der Umstand, dass bei Umgehungsprojekten die 25%-Grenze nicht gilt (wobei die Frage, ob ein Umgehungsprojekt vorliegt, durch das die UVP umgangen werden soll, der Beweiswürdigung durch die Behörde obliegt) führt auch dazu, dass die 25%-Grenze keinen unionsrechtlichen Bedenken begegnet.

 

Räumlicher Zusammenhang bei Rodungen für eine Starkstromfreileitung;
Auslegung der Begriffe "Rodung" und "Abholzung"

VwGH 29.9.2015, 2012/05/0073
 
Nach § 2 Abs 2 UVP-G beschränkt sich das zu prüfende Vorhaben nicht auf die jeweilige "technische Anlage", sondern umfasst auch alle mit dieser in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen (VwGH 20.11.2014, 2011/07/0244, 0248 bis 0251, mwN).

Für das Vorliegen eines räumlichen Zusammenhanges kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen mit dem beabsichtigten Projekt verbundenen Maßnahmen zueinander in einem räumlichen Zusammenhang stehen; entscheidend ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs 2 UVP-G vielmehr, ob solche Maßnahmen in einem räumlichen Zusammenhang zum beabsichtigten Projekt stehen. Allein der Umstand, dass die Errichtung einer Starkstromfreileitung für sich genommen nicht UVP-pflichtig ist, bewirkt zudem nicht, dass dieser Teil des Projektes im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens auszuklammern wäre und nur noch ausschließlich die Rodungen zu betrachten wären. Einer solchen Auslegung stünde auch der weite Vorhabensbegriff des § 2 Abs 2 UVP-G entgegen, der die Beurteilung eines Projektes in seiner Gesamtheit erfordert. Indem die Behörde das eingereichte Projekt auf die Rodungen eingeschränkt hat, vom Fehlen eines räumlichen Zusammenhangs ausgegangen ist und infolgedessen die Rodungen in mehrere getrennt voneinander zu beurteilende Projekte aufgesplittet hat, hat sie die Rechtslage verkannt.

Z 1 lit d des Anhanges II der UVP-RL 2011/92/EU sieht den UVP-rechtlich relevanten Tatbestand "Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart" vor. Der österr Gesetzgeber hat sich bei der Umsetzung des Tatbestandes der Z 1 lit d des Anh II der UVP-RL ua für die Verwendung des Begriffes "Rodungen" entschieden, der grundsätzlich iS des vom Forstrechtsgesetzgeber verwendeten Begriffes "Rodung" gemäß § 17 ForstG 1975 zu verstehen ist. Dafür spricht auch der allgemeine Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.

Der Begriff der Rodung im Sinn des § 17 ForstG 1975 geht weit über den der "Abholzung" in der angeführten UVP-RL hinaus und umfasst alle Verwendungen des Waldbodens zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur. Im Zweifel muss ein Tatbestand des Anhanges 1 zum UVP-G aber richtlinienkonform ausgelegt werden, sodass die Ausnahmeregelung in § 81 Abs 1 lit b ForstG 1975 in Verbindung mit dem in § 80 Abs 1 ForstG 1975 verankerten Verbot von Fällungen in hiebunreifen Hochwaldbeständen nicht dahingehend interpretiert werden kann, dass damit Trassenaufhiebe, die zweifellos eine (jedenfalls vorübergehende) Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als solchen zur Waldkultur darstellen, nicht als Rodung iS des § 17 Abs 1 ForstG 1975 bzw der Z 46 lit a des Anhanges 1 zum UVPG 2000 qualifiziert werden könnten. Ein solcher Trassenaufhieb stellt auch ohne Zweifel eine "Abholzung" iS der Z 1 lit d des Anh II der UVP-RL dar.


Kumulationsprüfung bei mehreren (kleineren) Anlagen, die geringe Mengen an Feinstaub emittieren;
Umfang der Einzelfallprüfung im "belasteten Gebiet Luft"


 VwGH, 17.12.2015, 2012/05/0153

Nach den Erläuterungen zum UVP-G (IA 168/A GP XXI) ermöglicht § 3 Abs 2 UVP-G den Behörden unter anderem die kumulative Wirkung gleichartiger Vorhaben zu erfassen. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen, ist nach der hg Judikatur, ob es durch die verschiedenen Eingriffe gleichartiger Vorhaben zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe iS kumulativer und additiver Effekte kommen kann. Entscheidend ist jener Bereich, in dem sich die maßgeblichen Umweltauswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben erwartungsgemäß überlagern werden, wobei der räumliche Zusammenhang schutzgutbezogen zu beurteilen ist (VwGH 24.7.2014, 2011/07/0214, mwN).

Dass die zu prüfenden Vorhaben eine bestimmte Mindestgröße aufweisen müssten oder einen bestimmten Mindestbeitrag zu den zu prüfenden Umweltauswirkungen leisten müssten, um in die Einzelfallprüfung einbezogen werden zu können, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus der Rsp (VwGH 24.7.2014, 2011/07/0214), dass in diese Prüfung alle gleichartigen Vorhaben in jenem Bereich, in dem sich die von ihnen bewirkten maßgeblichen Umweltauswirkungen erwartungsgemäß überlagern werden, einzubeziehen sind, dies unabhängig von dem von ihnen jeweils verursachten Beitrag zu den betreffenden Umweltauswirkungen.

Es mag Anlagen geben, die derart geringe Mengen an PM10 emittieren, dass ein durch sie bewirkter kumulativer bzw additiver Effekt iS des § 3 Abs 2 UVP-G ausgeschlossen erscheint. In diesem Fall müsste die Behörde aber auf Basis eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens eines luftreinhaltetechnischen Sachverständigen im Einzelnen begründet darlegen, auf welche Anlagen dies aus welchem Grund zutrifft, wobei auch die Anzahl derartiger Anlagen im Untersuchungsgebiet zu berücksichtigen wäre. Allein das abstrakte Abstellen auf die Nachweisgrenze von technischen Messgeräten reicht dafür nicht aus, weil der Umstand, dass Immissionen unter der Messbarkeitsgrenze liegen, noch nichts darüber aussagt, ob diese einen relevanten Beitrag zur Immissionsbelastung leisten können, und sich die technischen Möglichkeiten der Nachweisbarkeit von Emissionen ändern können. Zudem erscheint nicht ausgeschlossen, dass das Bestehen zahlreicher Anlagen, die für sich genommen jeweils PM10- Emissionen in geringem Ausmaß verursachen, in Summe dennoch kumulative und additive Effekte bewirken kann.

Nach § 3 Abs 2 UVP-G sind die Auswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben auf die Umwelt zu beurteilen und nicht bloß die mögliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes, für den das schutzwürdige Gebiet festgelegt wurde (vgl dazu § 3 Abs 4 UVP-G). Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, dass nicht nur die PM10-Immissionen der zu kumulierenden Feuerungsanlagen, sondern alle von diesen Anlagen verursachten Immissionen, die zu erheblichen negativen Umweltauswirkungen führen können, in die Einzelfallprüfung einzubeziehen sind. In diesem Zusammenhang ist es nicht erforderlich, dass sämtliche Komponenten, die zu den besagten Umweltauswirkungen führen, von den zu kumulierenden Vorhaben selbst stammen müssen, zumal in § 1 Abs 1 UVP-G ausdrücklich klargestellt wird, dass die UVP die unmittelbaren und auch die mittelbaren Auswirkungen umfasst und kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des Verfahrens zur Feststellung, ob für ein bestimmtes Vorhaben eine UVP-Pflicht besteht, von einem anderen Begriffsverständnis ausging. Die Behörde hätte daher insbesondere auch zu prüfen gehabt, ob auf Grund der NOx-Emissionen der zu kumulierenden Feuerungsanlagen nach den Kriterien des § 3 Abs 4 Z 1 bis 3 UVP-G mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist.

Kein absolutes Schadstoffminimierungsgebot im UVP-Verfahren

VwGH 9.9.2015, 2013/03/0120

 
Der VwGH hat zu der § 24f Abs 1 Z 2 UVP-G identen, auf Vorhaben nach dem zweiten Abschnitt des UVP-G anzuwendenden Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 2 UVP-G bereits klargestellt, dass diese Norm kein generelles, absolutes Schadstoffminimierungsgebot enthält, sondern ein Gebot, die Immissionsbelastung zu schützender Güter möglichst gering zu halten. Ein absolutes Gebot enthält diese Bestimmung nur hinsichtlich der Vermeidung der in lit a bis c genannten Immissionen. Werden aber keine Schutzgüter beeinträchtigt und entspricht das Vorhaben dem Stand der Technik, so kann mit der bloßen Behauptung, es hätten noch strengere Grenzwerte vorgeschrieben werden können, keine Rechtswidrigkeit eines Bescheides iSd § 17 UVP-G dargetan werden. Die Rsp zu § 17 Abs 2 Z 2 leg cit kann aufgrund des identen Wortlautes des § 24f Abs 1 Z 2 UVP-G auch auf den dritten Abschnitt des UVP-G übertragen werden.
 
 

Verhältnis der Genehmigungsbescheide im teilkonzentrierten Verfahren nach 3. Abschnitt zueinander;
Rechte von Umweltorganisationen;
Begriff der "Umweltschutzvorschrift";
keine Prüfung der Notwendigkeit der Errichtung eines Vorhabens

VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058
 
Aus der Rsp des VwGH (26.5.2013, 2013/03/0144; 26.6.2014, 2013/03/0021; 26.6.2014, 2013/03/0062; 12.8.2014, 2012/10/0088) kann nicht abgeleitet werden, dass sämtliche in einem teilkonzentrierten Verfahren nach dem 3. Abschnitt des UVP-G erlassenen Genehmigungsbescheide in einem Verhältnis zueinander stehen, dass die Aufhebung (irgendeines) in einem derartigen teilkonzentrierten Verfahren ergangenen Bescheides zwingend zur Aufhebung sämtlicher anderer (teilkonzentrierter) Bewilligungsbescheide führt. Vielmehr ist im Falle der Aufhebung eines solchen (teilkonzentrierten) Bescheides zu prüfen, ob dieser eine Grundlage für die anderen teilkonzentrierten Bescheide darstellt. Nur in einer derartigen Konstellation kann der Wegfall des Grundlagenbescheides auch zu einer Aufhebung der übrigen teilkonzentrierten Bescheide führen.

Nach § 24f Abs 8 UVP-G kommt einer eingetragenen UO auch in den Genehmigungsverfahren nach dem 3. Abschnitt Parteistellung nach § 19 leg cit mit der Maßgabe zu, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften wahrzunehmen. Nach dem U des EuGH 12.5.2011, Rs C-115/09, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, Rz 46, muss es einer eingetragenen Umweltorganisation in einem Verfahren, das dem Anwendungsbereich der RL 2011/92/EU unterliegt, möglich sein, dieselben Rechte geltend zu machen wie ein Einzelner (vgl dazu auch jüngst EuGH 15.10.2015, Rs C-137/14, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Rz 90 ff). Daher kommt es der revisionswerbenden UO auch zu, die Einhaltung solcher Umweltschutzvorschriften - wie etwa des § 31f EisenbahnG 1957 - geltend zu machen, die nicht nur Interessen der Allgemeinheit, sondern auch Rechtsgüter des Einzelnen schützen, und deren Schutz vor Beeinträchtigung etwa auch durch den einzelnen Nachbarn als subjektiv-öffentliches Recht im Verfahren geltend gemacht werden kann.

Der Begriff der "Umweltschutzvorschrift" ist grundsätzlich weit zu verstehen und nicht auf Normbereiche einzuschränken, die in unmittelbarem Bezug zum Schutz der Umwelt stehen. Vielmehr umfasst der Begriff der "Umweltschutzvorschrift" jene Rechtsvorschriften, die direkt oder indirekt dem Schutz des Menschen und der Umwelt vor schädlichen Aus- oder Einwirkungen dienen (VwGH 3.10.2013, 2012/09/0075; 21.11.2011, 2008/04/0212; 18.10.2001, 2000/07/0229).

In einem Verfahren nach dem 3. Abschnitt des UVP-G geht es nicht darum, die Notwendigkeit der Errichtung eines Vorhabens zu prüfen, wobei dies sowohl für die nach den Regelungen des 3. Abschnittes zu bewilligenden Bundesstraßen (VwGH 24.8.2011, 2010/06/0002) als auch für Hochleistungsstrecken gilt (VwGH 19.12.2013, 2011/03/0160, 0162, 0164, 0165).

Mittwoch, 24. Februar 2016

Energie-Infrastrukturgesetz kundgemacht

Das Energie-Infrastrukturgesetz samt den Änderungen im Feststellungsverfahren des UVP-G wurde mit BGBl I Nr 4/2016 am 23. Februar 2016 kundgemacht


Mit dem "Bundesgesetz, mit dem das Energie-Infrastrukturgesetz erlassen, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert sowie das Bundesgesetz über die Frist und das Verfahren in den Fällen des Art. 12 Abs. 3 des B-VG aufgehoben werden", BGBl I Nr 4/2016, ist die TEN-E-Verordnung der EU, Nr 347/2013, in das österreichische Recht umgesetzt worden. Im UVP-G wurde ein neuer 6. Abschnitt betreffend Energieleitungsvorhaben von gemeinsamem Interesse eingefügt. Dieser Abschnitt (§§ 30 ff UVP-G) gilt für die Art 2 Z 4 der TEN-E-VO genannten "Vorhaben, [die] für die Realisierung der in Anhang I aufgeführten vorrangigen Energieinfrastrukturkorridore und -gebiete erforderlich [sind] und [die]Bestandteil der in Artikel 3 genannten Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse [sind]".
 
Gleichzeitig hat der Gesetzgeber auf das EuGH-Urteil im Fall "Karoline Gruber" reagiert und das Feststellungsverfahren im UVP-Gesetz um ein Beschwerderecht der Nachbarn/Nachbarinnen gegen UVP-Negativ-Feststellungen erweitert. Nachbarn können nun - genauso wie Umweltorganisationen - ab dem Tag der Veröffentlichung von Feststellungsbescheiden der Landesregierung im Internet Akteneinsicht nehmen und Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben.
Die Beschwerdefrist beträgt vier Wochen.
 
Mit einer Übergangsvorschrift, § 46 Abs 26 erster Satz UVP-G, wird diese Beschwerdemöglichkeit gegen alle Bescheide eröffnet, bei denen der Bescheid vor Inkrafttreten der Novelle erlassen wurde, aber die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist. Man muss daher vier Wochen vom Inkrafttretensdatum, dem 24. Februar 2016, zurückrechnen: ist der Feststellungsbescheid innerhalb dieser Frist erlassen bzw veröffentlicht worden, so kann gegen ihn noch innerhalb von vier Wochen Beschwerde beim BVwG eingebracht werden. Meines Erachtens ist diese, in Anlehnung an den Übergang zur neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit am 1. Jänner 2014 geschaffene Übergangsbestimmung in dem Sinne zu verstehen, dass die Beschwerdefrist am 24. Februar neu zu laufen beginnt. Bei künftig ergehenden Bescheiden beginnt sie mit der Veröffentlichung im Internet zu laufen.

Nicht ausdrücklich geregelt, aber im Sinne der EuGH- und VwGH-Judikatur selbstverständlich sollte mit der Einführung der Anfechtungsmöglichkeit für Nachbarn im Sinne des § 19 UVP-G nun auch die vor dem Urteil "Gruber" bestehende Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden wieder gegeben sein.
 
Für jene Projektwerber, deren Genehmigungen mittlerweile aufgrund der EuGH-Judikatur aufgehoben wurden oder noch aufgehoben werden, besteht gemäß § 46 Abs 26 (neu) ein Fortbetriebsrecht in sinngemäßer Anwendung des Fortbetriebsrechts des § 42a UVP-G auf Grundlage der aufgehobenen materienrechtlichen Bescheide. Dieses Recht gilt für 3 Jahre, höchstens aber bis zum Ergehen eines Ersatzbescheides oder Ersatzerkenntnisses.

Donnerstag, 28. Januar 2016

Energie-Infrastrukturpaket mit UVP-Novelle ohne Verfassungsbestimmungen beschlossen

SPÖ und ÖVP bringen rechtliche Erleichterung von Infrastrukturprojekten als einfaches Gesetz durch den Nationalrat - Neuregelung zum UVP-Feststellungsverfahren

Wien (Parlamentskorrespondenz) - Ein Abänderungsantrag von SPÖ und ÖVP brachte am 27. Jänner 2016 im Nationalrat das Energie-Infrastrukturgesetz  (626 BlgNR XXV.GP) auf einfachgesetzliche Ebene. Dieses scheinbar nur formaljuristische Vorgehen barg Zündstoff: Herausgenommen wurden aus der Regierungsvorlage zur Erfüllung einer EU-Verordnung für transeuropäische Energienetze jene Bestimmungen, die Länderkompetenzen einschränken. Dadurch war die Vorlage nicht mehr in Verfassungsrang, und konnte ohne Zweidrittelmehrheit im Plenum beschlossen werden. Ausschlaggebend für diesen Schritt der Regierungsfraktionen war die Weigerung der Grünen, dem Gesetzespaket zuzustimmen, wenn darin die Mitspracherechte von NachbarInnen bei Infrastrukturprojekten nicht ausgeweitet werden. Konkret zu diesem Punkt heißt es im Abänderungsantrag, um die Öffentlichkeit in Umweltverträglichkeitsprüfungs (UVP)-Verfahren gemäß EU-Recht frühzeitig einzubinden, können künftig Nachbarinnen und Nachbarn ab der online-Veröffentlichung eines Feststellungsbescheids, ob ein UVP erforderlich ist oder nicht, beim Bundesverwaltungsgericht innerhalb von vier Wochen Beschwerde gegen den Bescheid einlegen.
Den Oppositionsparteien schmeckt dieses Vorgehen der Koalitionsparteien gar nicht. Ungeachtet verschiedener inhaltlicher Kritikpunkte an der Gesetzesinitiative prangerten sie im Plenum unisono an, es entspreche nicht den parlamentarischen Gepflogenheiten, Abänderungen zu einem Gesetzesvorschlag abseits des Verhandlungstisches durchzusetzen.
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner räumte ein, wünschenswert wäre eine breite Unterstützung für das Gesetzespaket gewesen, aus Zeitgründen sei dieses Bestreben aber hintangestellt worden. Er unterstrich ebenso wie die Redner von SPÖ und ÖVP, das Energie-Infrastrukturgesetz schaffe nun Rechtssicherheit für Projektverantwortliche und somit auch für Infrastrukturprojekte, die Österreich bei der Energiewende unterstützen. Damit trage man nicht zuletzt den energiepolitischen Vorgaben der UN-Klimaschutzkonferenz von Paris Rechnung.
Ein von den Regierungsfraktionen eingebrachter und mehrheitlich beschlossener Entschließungsantrag an den Umweltminister stößt eine weitere Novelle an, die ein Upgrade von Stromleitungen von 220 auf 380 Kilovolt ohne UVP-Verfahren ermöglichen soll. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf erwarten SPÖ und ÖVP bis Mitte dieses Jahres.

Rechtsprechung des VwGH zur UVP 2023

Vorliegen eines Städtebauvorhabens Frage des Einzelfalles; Voraussetzungen für die Aussetzung eines Planes wegen unterbliebener SUP Anh 1 Z ...