030 128 KU Umweltverträglichkeitsprüfung (Berger)
Beginn 14.11.2011 (Achtung Terminänderungen!)
Blocklehrveranstaltung, 1-stündig / 2 ECTS
Termine:
Mo 14.11.11, 17:00-19:15 Sem 61
Di 29.11.11, 17:00-19:15 Sem 62
Mo 05.12.11, 17:00-19:15 Sem 61
Mo 12.12.11, 17:00-19:15 Sem 61
Mi 21.12.11, 17:00-18:30 Sem 62 (Klausur)
Terminänderungen: 08.11.11 und 6.12.11 entfallen;
NEU: 5.12.11 und 12.12.11.
Anmeldung: 17.10.11 bis 3.11.11 online über UNIVIS
Klausurtermin: Mi 21.12., 17:00-18:30, Sem 62
Anrechenbarkeit: Wahlfachkorb Umweltrecht, Wahlbereich
Donnerstag, 6. Oktober 2011
Dienstag, 27. September 2011
Kein "Rechtsschutz-Nirwana" - Verfassungsgerichtshof entscheidet negativen Kompetenzkonflikt
Mit Erkenntnis vom 28.6.2011, B 254/11, hat der Verfassungsgerichtshof – in Abkehr von der vom 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofes in seinen viel diskutierten Beschlüssen vom 30.9.2011, Zlen 2010/03/0051, 0055 („Angerschluchtbrücke”) und 2009/03/0067, 0072 („Brenner Basistunnel”) vertretenen Rechtsauffassung – entschieden, dass der VwGH ein Tribunal iS des Art 47 Abs 2 GRC und daher als Gericht mit voller Kognitionsbefugnis selbst befugt ist, Entscheidungen in UVP-Genehmigungsverfahrens nach dem dritten Abschnitt des UVP-G umfassend nachzuprüfen. Die unionsrechtlichen Vorgaben der GRC und der UVP-RL seien erfüllt; ein Instanzenzug an den Umweltsenat sei nicht geboten und es komme insoweit auch keine unmittelbare Anwendbarkeit des Art 10a UVP-RL in Betracht (siehe dazu Umweltrechtsblog vom 11. Juli 2011).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte dagegen in seinen oben zitierten – damals sensationellen – Beschlüssen vom 30.9.2010 die Rechtsauffassung vertreten, dass Art 10a der UVP-RL gebiete, dass vor der Anrufung des VwGH ein zur umfassenden Tatsachenkontrolle berechtigtes Tribunal entscheide und die an ihn gerichteten Beschwerden gegen Eisenbahn-Genehmigungsbescheide nach dem 3. Abschnitt des UVP-G in unmittelbarer Anwendung der UVP-RL als unzulässig (wegen mangelnder Erschöpfung des Instanzenzuges) zurückgewiesen. EINE Anrufung des EuGH zum Zweck einer Vorabentscheidung darüber, welchen Rechtsschutz Art 10a UVP-G gebietet, hielt ÜBRIGENS keines der beiden Höchstgerichte für erforderlich.
Da nun der Verfassungsgerichtshof die vom BMVIT in Anwendung dieser Rechtsauffassung des VwGH bewilligte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Berufungsfrist) mit dem Erkenntnis vom 28.6.2011 aufgehoben hat, war auch das Schicksal der mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Berufung an den Umweltsenat besiegelt:
Der Umweltsenat hat nunmehr die bei ihm anhängige Berufung gegen den Genehmigungsbescheid des BMVIT mit Bescheid vom 20.7.2011, US 3A/2011/1A-5, „Brenner Basistunnel II”, als unzulässig zurückgewiesen
Negativer Kompetenzkonflikt
Da nun weder der Verwaltungsgerichtshof noch der US eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde bzw. Berufung getroffen und sich beide für unzuständig erklärt haben, liegt ein negativer Kompetenzkonflikt vor.
Um nun doch noch eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid zu erhalten, hat die beschwerdeführende Umweltorganisation beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art 138 Abs 1 Z 1 B-VG wegen Vorliegens eines Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Umweltsenat als Verwaltungsbehörde gestellt. Es ist zu erwarten, dass der VfGH in seiner Herbstsession 2011 den VwGH als zuständig zur Entscheidung über die von ihm mit Beschluss vom 30.9.2010 zurückgewiesene Beschwerde erkennen wird.
Gleichzeitig ist beim Verwaltungsgerichtshof ein 14 Tage nach Zustellung des Erkenntnisses des VfGH vom 28.6. gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des mit Zurückweisungsbeschluss vom 30.9.2010 abgeschlossenen Verfahrens anhängig, eingebracht von der beschwerdeführenden Umweltorganisation. Keiner der Wiederaufnahmsgründe des § 45 VwGG passt seinem Wortlaut nach auf den Fall einer späteren anderslautenden Entscheidung des VfGH – vielleicht findet aber der VwGH doch einen Weg, selbst den Weg für eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde frei zu machen.
In einer anderen, eine Bundesstraße betreffenden Beschwerdesache hat mittlerweile der Verwaltungsgerichtshof, und zwar dessen 6. Senat – in Abkehr von den Beschlüssen des 3. Senats vom 30.9.2010 – inhaltlich über eine Beschwerde gegen eine Genehmigung des BMVIT nach dem 3. Abschnitt des UVP-G entschieden (VwGH 24.8.2011, 2010/06/0002 “A5 Nordautobahn”).
Das vom “Rechtspanorama” in einem Beitrag aufgrund der Judikaturdivergenz zwischen Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof befürchtete “Rechtsschutz-Nirwana” ist also nicht eingetreten. Ob neben den bisher befassten Gerichten und Behörden aber vielleicht auch noch der EuGH in einem künftigen Verfahren in das Match um Art 10a UVP-RL kommen wird, bleibt abzuwarten…
Der Verwaltungsgerichtshof hatte dagegen in seinen oben zitierten – damals sensationellen – Beschlüssen vom 30.9.2010 die Rechtsauffassung vertreten, dass Art 10a der UVP-RL gebiete, dass vor der Anrufung des VwGH ein zur umfassenden Tatsachenkontrolle berechtigtes Tribunal entscheide und die an ihn gerichteten Beschwerden gegen Eisenbahn-Genehmigungsbescheide nach dem 3. Abschnitt des UVP-G in unmittelbarer Anwendung der UVP-RL als unzulässig (wegen mangelnder Erschöpfung des Instanzenzuges) zurückgewiesen. EINE Anrufung des EuGH zum Zweck einer Vorabentscheidung darüber, welchen Rechtsschutz Art 10a UVP-G gebietet, hielt ÜBRIGENS keines der beiden Höchstgerichte für erforderlich.
Da nun der Verfassungsgerichtshof die vom BMVIT in Anwendung dieser Rechtsauffassung des VwGH bewilligte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Berufungsfrist) mit dem Erkenntnis vom 28.6.2011 aufgehoben hat, war auch das Schicksal der mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Berufung an den Umweltsenat besiegelt:
Der Umweltsenat hat nunmehr die bei ihm anhängige Berufung gegen den Genehmigungsbescheid des BMVIT mit Bescheid vom 20.7.2011, US 3A/2011/1A-5, „Brenner Basistunnel II”, als unzulässig zurückgewiesen
Negativer Kompetenzkonflikt
Da nun weder der Verwaltungsgerichtshof noch der US eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde bzw. Berufung getroffen und sich beide für unzuständig erklärt haben, liegt ein negativer Kompetenzkonflikt vor.
Um nun doch noch eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid zu erhalten, hat die beschwerdeführende Umweltorganisation beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art 138 Abs 1 Z 1 B-VG wegen Vorliegens eines Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Umweltsenat als Verwaltungsbehörde gestellt. Es ist zu erwarten, dass der VfGH in seiner Herbstsession 2011 den VwGH als zuständig zur Entscheidung über die von ihm mit Beschluss vom 30.9.2010 zurückgewiesene Beschwerde erkennen wird.
Gleichzeitig ist beim Verwaltungsgerichtshof ein 14 Tage nach Zustellung des Erkenntnisses des VfGH vom 28.6. gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des mit Zurückweisungsbeschluss vom 30.9.2010 abgeschlossenen Verfahrens anhängig, eingebracht von der beschwerdeführenden Umweltorganisation. Keiner der Wiederaufnahmsgründe des § 45 VwGG passt seinem Wortlaut nach auf den Fall einer späteren anderslautenden Entscheidung des VfGH – vielleicht findet aber der VwGH doch einen Weg, selbst den Weg für eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde frei zu machen.
In einer anderen, eine Bundesstraße betreffenden Beschwerdesache hat mittlerweile der Verwaltungsgerichtshof, und zwar dessen 6. Senat – in Abkehr von den Beschlüssen des 3. Senats vom 30.9.2010 – inhaltlich über eine Beschwerde gegen eine Genehmigung des BMVIT nach dem 3. Abschnitt des UVP-G entschieden (VwGH 24.8.2011, 2010/06/0002 “A5 Nordautobahn”).
Das vom “Rechtspanorama” in einem Beitrag aufgrund der Judikaturdivergenz zwischen Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof befürchtete “Rechtsschutz-Nirwana” ist also nicht eingetreten. Ob neben den bisher befassten Gerichten und Behörden aber vielleicht auch noch der EuGH in einem künftigen Verfahren in das Match um Art 10a UVP-RL kommen wird, bleibt abzuwarten…
Donnerstag, 21. Juli 2011
Brennerbasistunnel: Konflikt zwischen Höchstgerichten führt ins Rechtsschutz-Nirwana
Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof schätzen die Auswirkungen des EU-Rechts auf die Umweltverträglichkeitsprüfung bei hochrangigen Projekten des Schienen- und Straßenverkehrs unterschiedlich ein. Mit der Folge, dass eine Prüfung des Brennerbasistunnels nach dem Erkenntnis des VfGH vom 28. Juni 2011, B 254/11, nicht mehr möglich scheint.
Tiroler Umweltschützer haben im Kampf gegen den Brennerbasistunnel zwar Entscheidungen zweier Höchstgerichte erreicht. Doch eine Rechtsmittelentscheidung in der Sache – schadet der Tunnel der Umwelt oder nicht? – haben sie nicht. Möglicherweise werden sie eine solche auch nie bekommen, denn der Verwaltungs- und der Verfassungsgerichtshof haben einander in einer Weise widersprochen, die in diesem Fall keinen juristischen Ausweg lassen dürfte.
Das Verkehrsministerium hatte den Tunnel bewilligt, das Transitforum den VwGH angerufen. Dieser meinte in seinen Beschlüssen vom 30.9.2010, dass ihm punkto Sachverhaltsprüfung nicht jene Möglichkeiten offenstünden, die nach EU-Recht in Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) geboten seien (Art 10a der UVP-Richtlinie). Also müsse der Umweltsenat befasst werden können, obwohl dieser laut UVP-Gesetz für Eisenbahnhochleistungsstrecken (und Autobahnen, Schnellstraßen) gar nicht zuständig ist, sondern nur für alle anderen UVP-pflichtigen Vorhaben. EU-Recht geht in diesem Fall vor, so der VwGH. Der Gerichtshof wies die Beschwerde zurück und merkte an, dass die Partei zuerst Berufung und einen Wiedereinsetzungsantrag einbringen müsse.
„Gericht“ im Sinn der Charta
Dem widerspricht der VfGH: Seiner Ansicht nach reichen die Möglichkeiten des VwGH aus, um die in der EU-Grundrechte-Charta normierten Anforderungen an ein Gericht zu erfüllen. Denn abgesehen von der Befugnis, die rechtliche Richtigkeit von Entscheidungen zu prüfen, sei der VwGH auch an die Tatsachenfeststellungen „nicht schlechthin gebunden“; vielmehr könne er Bescheide aufheben, wenn die Behörde den Sachverhalt unvollständig geprüft oder unschlüssig oder aktenwidrig angenommen habe.
Nach VfGH-Einschätzung ist die UVP-Richtlinie in diesem Punkt auch nicht konkret genug, als dass sie sich für eine unmittelbare Anwendung eignete und das nationale UVP-Gesetz verdrängen könnte; ein zeitlich zwischen dem VwGH- und dem VfGH-Erkenntnis ergangenes Urteil des Gerichtshofs der EU scheint dies zu bestätigen.
Jedenfalls kippte der VfGH (B 254/11) eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist, mit der das Verkehrsministerium den Weg zum Umweltsenat freimachen wollte. Außer für die Bahn durch den Brenner ist jetzt aber gar kein Weg frei: Der Umweltsenat kann kraft UVP-Gesetzes nicht angerufen werden, der ab sofort doch zuständige VwGH hat bereits abschlägig entschieden. Ob er eine Wiederaufnahme bewilligen könnte oder ob es andere Wege zu einer Sachentscheidung gibt, ist höchst ungewiss.
Neue Instanz scheint „hinfällig“
Sicher ist sich im Moment bloß die Regierung: Nachdem der VwGH auch bei höherrangigen Projekten eine andere unabhängige Instanz als sich selbst für nötig befunden hatte, plante sie die Schaffung eines Infrastruktursenats. Dieser ist nun „hinfällig“, so das Verkehrsministerium („Die Presse“ hat berichtet).
Wolfgang Berger, ehemaliges Mitglied des VwGH, nun (wieder) Rechtsanwalt und Umweltrechtspezialist, bedauert, dass keines der Höchstgerichte den EU-Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht hat. Die Frage, welche Prüfbefugnisse die UVP-Richtlinie und die Grundrechte-Charta für ein unabhängiges Gericht bei der UVP verlangten, hätte durchaus gestellt werden können, meint Berger. Es sei jedenfalls merkwürdig, dass beide Höchstgerichte anscheinend keine Unklarheit im EU-Recht gesehen hätten, dabei aber zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien.
Widersprüche zwischen VfGH und VwGH gab es indes öfter: So wurden die Parteistellung von Bewerbern für Schuldirektorposten, die Rechtsposition von Religionsgemeinschaften im Verfahren zur Anerkennung oder die Rechte von Unternehmen, in Baubewilligungsverfahren Einwände gegen eine heranrückende Wohnbebauung zu erheben, unterschiedlich gesehen.
Quelle: Die Presse, Rechtspanorama vom 18.07.2011, von Benedikt Kommenda
Infrastruktur-Senat:
Regierung zieht UVP-Reformpläne zurück (07.07.2011)
Tiroler Umweltschützer haben im Kampf gegen den Brennerbasistunnel zwar Entscheidungen zweier Höchstgerichte erreicht. Doch eine Rechtsmittelentscheidung in der Sache – schadet der Tunnel der Umwelt oder nicht? – haben sie nicht. Möglicherweise werden sie eine solche auch nie bekommen, denn der Verwaltungs- und der Verfassungsgerichtshof haben einander in einer Weise widersprochen, die in diesem Fall keinen juristischen Ausweg lassen dürfte.
Das Verkehrsministerium hatte den Tunnel bewilligt, das Transitforum den VwGH angerufen. Dieser meinte in seinen Beschlüssen vom 30.9.2010, dass ihm punkto Sachverhaltsprüfung nicht jene Möglichkeiten offenstünden, die nach EU-Recht in Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) geboten seien (Art 10a der UVP-Richtlinie). Also müsse der Umweltsenat befasst werden können, obwohl dieser laut UVP-Gesetz für Eisenbahnhochleistungsstrecken (und Autobahnen, Schnellstraßen) gar nicht zuständig ist, sondern nur für alle anderen UVP-pflichtigen Vorhaben. EU-Recht geht in diesem Fall vor, so der VwGH. Der Gerichtshof wies die Beschwerde zurück und merkte an, dass die Partei zuerst Berufung und einen Wiedereinsetzungsantrag einbringen müsse.
„Gericht“ im Sinn der Charta
Dem widerspricht der VfGH: Seiner Ansicht nach reichen die Möglichkeiten des VwGH aus, um die in der EU-Grundrechte-Charta normierten Anforderungen an ein Gericht zu erfüllen. Denn abgesehen von der Befugnis, die rechtliche Richtigkeit von Entscheidungen zu prüfen, sei der VwGH auch an die Tatsachenfeststellungen „nicht schlechthin gebunden“; vielmehr könne er Bescheide aufheben, wenn die Behörde den Sachverhalt unvollständig geprüft oder unschlüssig oder aktenwidrig angenommen habe.
Nach VfGH-Einschätzung ist die UVP-Richtlinie in diesem Punkt auch nicht konkret genug, als dass sie sich für eine unmittelbare Anwendung eignete und das nationale UVP-Gesetz verdrängen könnte; ein zeitlich zwischen dem VwGH- und dem VfGH-Erkenntnis ergangenes Urteil des Gerichtshofs der EU scheint dies zu bestätigen.
Jedenfalls kippte der VfGH (B 254/11) eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist, mit der das Verkehrsministerium den Weg zum Umweltsenat freimachen wollte. Außer für die Bahn durch den Brenner ist jetzt aber gar kein Weg frei: Der Umweltsenat kann kraft UVP-Gesetzes nicht angerufen werden, der ab sofort doch zuständige VwGH hat bereits abschlägig entschieden. Ob er eine Wiederaufnahme bewilligen könnte oder ob es andere Wege zu einer Sachentscheidung gibt, ist höchst ungewiss.
Neue Instanz scheint „hinfällig“
Sicher ist sich im Moment bloß die Regierung: Nachdem der VwGH auch bei höherrangigen Projekten eine andere unabhängige Instanz als sich selbst für nötig befunden hatte, plante sie die Schaffung eines Infrastruktursenats. Dieser ist nun „hinfällig“, so das Verkehrsministerium („Die Presse“ hat berichtet).
Wolfgang Berger, ehemaliges Mitglied des VwGH, nun (wieder) Rechtsanwalt und Umweltrechtspezialist, bedauert, dass keines der Höchstgerichte den EU-Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht hat. Die Frage, welche Prüfbefugnisse die UVP-Richtlinie und die Grundrechte-Charta für ein unabhängiges Gericht bei der UVP verlangten, hätte durchaus gestellt werden können, meint Berger. Es sei jedenfalls merkwürdig, dass beide Höchstgerichte anscheinend keine Unklarheit im EU-Recht gesehen hätten, dabei aber zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien.
Widersprüche zwischen VfGH und VwGH gab es indes öfter: So wurden die Parteistellung von Bewerbern für Schuldirektorposten, die Rechtsposition von Religionsgemeinschaften im Verfahren zur Anerkennung oder die Rechte von Unternehmen, in Baubewilligungsverfahren Einwände gegen eine heranrückende Wohnbebauung zu erheben, unterschiedlich gesehen.
Quelle: Die Presse, Rechtspanorama vom 18.07.2011, von Benedikt Kommenda
Infrastruktur-Senat:
Regierung zieht UVP-Reformpläne zurück (07.07.2011)
Montag, 16. Mai 2011
EuGH zu den Rechten von NGO's gemäß Art 10a UVP-Richtlinie
Mit einer Vorabentscheidung vom 12. Mai 2011 hat der EuGH in der Rs "Trianel Kohlekraftwerk Lünen", C-115/09) betreffend Deutschland die folgende Vorabentscheidung getroffen:
Deutschland: Ausweitung der Rechte von Umweltverbänden
Für Deutschland bedeuten diese Aussagen des Gerichtshofes zur unmittelbaren Anwendbarkeit der UVP-RL, dass das "Klagerecht" von Umweltverbänden ausgeweitet wird. Bisher durften diese nur dann Rechtsmittel erheben, wenn sie sich auf Vorschriften berufen konnten, die dem Umweltschutz dienen und zugleich Rechte Einzelner begründen, also drittschützend sind. Damit sollten Umweltverbände nicht besser gesetellt werden als betroffene Bürger. Diese können die Verletzung bloß "objektiven Umweltrechts" nicht rügen, sondern haben nur soweit ein "Mitspracherecht" in UVP-Genehmigungsverfahren als ihnen subjektiv-öffentliche Rechte zukommen.
Das OVG Münster hatte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Einschränkung des Klagerechts der Umweltverbände, welche damit nicht die Einahltung aller für die Genehmigung eines Vorhabens maßgeblichen Umweltvorschriften einwenden konnten, dem Art 10a UVP-RL widerspreche.
Österreich: Die geltende Rechtslage passt (weitgehend)!
Der EuGH hat nun ein umfassendes Klagerecht der Umweltorganisationen bejaht, welches dem § 19 des österreichischen UVP-G 2000 entspricht. In Österreich haben die NGOs Parteistellung hinsichtlich aller dem Schutz der Umwelt dienenden Rechtsvorschriften und sind insofern auch rechtsmittellegitimiert.
Für Österreich, dessen Rechtslage der RL jedenfalls im Bereich des zweiten Abschnittes des UVP-G entspricht, hat die Entscheidung des EuGH daher keine unmittelbaren Auswirkungen. In Bezug auf die vom VwGH judizierte Zuständigkeit des Umweltsenats als Berufungsbehörde auch für Vorhaben des 3. Abschnitts (Hochleistungsstrecken und Bundesstraßen) hat die Argumentation des VwGH insofern eine (teilweise) Bestätigung erfahren, als der EuGH die unmittelbare Anwendbarkeit des Art 10a UVP-RL in seinem Urteil ausdrücklich bejaht hat.
EuGH (implizit) zu den Rechten Einzelner aus Art 10a UVP-G und aus der Aarhus Konvention
Einige Aussagen des EuGH Urteils vom 12. Mai 2011 können aber für eine derzeit in Österreich und beim Aarhus Compliance Committee in Genf geführte Diskussion rund um Parteistellung und Präklusion von Bedeutung sein:
Und im Hinblick auf den weiten Spielraum, der den Staaten bei der Umsetzung des "access to justice" nach Art 9 Aarhus Konvention eingeräumt ist, dürfte das österreichische System, das Parteistellung und Anfechtungsbefugnis von Nachbarn sowie die Kognitionsbefugnis des Umweltsenats bei Nachbarberufungen an die Verletzung echter subjektiver Rechte knüpft, auch nicht konventionswidrig sein.
1. Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung steht Rechtsvorschriften entgegen, die einer Nichtregierungsorganisation im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung, die sich für den Umweltschutz einsetzt, nicht die Möglichkeit zuerkennen, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der Projekte, die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung „möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben“, genehmigt werden, vor Gericht die Verletzung einer Vorschrift geltend zu machen, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen ist und den Umweltschutz bezweckt, weil diese Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützt.
2. Eine solche Nichtregierungsorganisation kann aus Art. 10a Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung das Recht herleiten, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der Projekte, die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 in der geänderten Fassung „möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben“, genehmigt werden, vor Gericht die Verletzung von aus Art. 6 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung hervorgegangenen nationalen Rechtsvorschriften geltend zu machen, obwohl das nationale Verfahrensrecht dies nicht zulässt, weil die angeführten Vorschriften nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützen.
Deutschland: Ausweitung der Rechte von Umweltverbänden
Für Deutschland bedeuten diese Aussagen des Gerichtshofes zur unmittelbaren Anwendbarkeit der UVP-RL, dass das "Klagerecht" von Umweltverbänden ausgeweitet wird. Bisher durften diese nur dann Rechtsmittel erheben, wenn sie sich auf Vorschriften berufen konnten, die dem Umweltschutz dienen und zugleich Rechte Einzelner begründen, also drittschützend sind. Damit sollten Umweltverbände nicht besser gesetellt werden als betroffene Bürger. Diese können die Verletzung bloß "objektiven Umweltrechts" nicht rügen, sondern haben nur soweit ein "Mitspracherecht" in UVP-Genehmigungsverfahren als ihnen subjektiv-öffentliche Rechte zukommen.
Das OVG Münster hatte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Einschränkung des Klagerechts der Umweltverbände, welche damit nicht die Einahltung aller für die Genehmigung eines Vorhabens maßgeblichen Umweltvorschriften einwenden konnten, dem Art 10a UVP-RL widerspreche.
Österreich: Die geltende Rechtslage passt (weitgehend)!
Der EuGH hat nun ein umfassendes Klagerecht der Umweltorganisationen bejaht, welches dem § 19 des österreichischen UVP-G 2000 entspricht. In Österreich haben die NGOs Parteistellung hinsichtlich aller dem Schutz der Umwelt dienenden Rechtsvorschriften und sind insofern auch rechtsmittellegitimiert.
Für Österreich, dessen Rechtslage der RL jedenfalls im Bereich des zweiten Abschnittes des UVP-G entspricht, hat die Entscheidung des EuGH daher keine unmittelbaren Auswirkungen. In Bezug auf die vom VwGH judizierte Zuständigkeit des Umweltsenats als Berufungsbehörde auch für Vorhaben des 3. Abschnitts (Hochleistungsstrecken und Bundesstraßen) hat die Argumentation des VwGH insofern eine (teilweise) Bestätigung erfahren, als der EuGH die unmittelbare Anwendbarkeit des Art 10a UVP-RL in seinem Urteil ausdrücklich bejaht hat.
EuGH (implizit) zu den Rechten Einzelner aus Art 10a UVP-G und aus der Aarhus Konvention
Einige Aussagen des EuGH Urteils vom 12. Mai 2011 können aber für eine derzeit in Österreich und beim Aarhus Compliance Committee in Genf geführte Diskussion rund um Parteistellung und Präklusion von Bedeutung sein:
- In Rn 41 sagt der EuGH, dass die Bestimmungen des Art 10a der UVP-RL im Lichte der Bestimmungen der Aarhus Konvention auszulegen sind.
- In Rn 45 hält er es für unbedenklich, wenn die Anfechtungsbefugnis Einzelner an die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geknüpft wird (vgl. dazu auch Rn 47) und
- in Rn 55 wird schließlich nochmals der "beträchtliche Spielraum" betont, der MS bei der Umsetzung des Art 10a eingeräumt ist.
Und im Hinblick auf den weiten Spielraum, der den Staaten bei der Umsetzung des "access to justice" nach Art 9 Aarhus Konvention eingeräumt ist, dürfte das österreichische System, das Parteistellung und Anfechtungsbefugnis von Nachbarn sowie die Kognitionsbefugnis des Umweltsenats bei Nachbarberufungen an die Verletzung echter subjektiver Rechte knüpft, auch nicht konventionswidrig sein.
Donnerstag, 20. Januar 2011
VwGH sagt, was Sache ist !
Mit einem aktuellen Erkenntnis vom 22.12.2010 klärte der Verwaltungsgerichtshof die seit Jahren umstrittene Frage der "Sache des Berufungsverfahrens" in UVP-Verfahren. Der Umweltsenat hatte in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, er sei berechtigt, aufgrund einer zulässigen Berufung erstinstanzliche Genehmigungsbescheide umfassend zu prüfen. Eine Abweisung von Genehmigungsanträgen im Berufungsverfahren konnte daher auch dann erfolgen, wenn die Genehmigung nur von Nachbarn bekämpft worden war, der Umweltsenat aber der Auffassung war, dass rein objektives Umweltrecht einer Genehmigung entgegenstehe. Dieser Rechtsauffassung ist der VwGH nun deutlich entgegen getreten.
Im Fall des geplanten Autotest- und Motorsportzentrums ATC Voitsberg hatte der Umweltsenat die von der steiermärkischen Landesregierung erteilte Genehmigung einer Test- und Autosportanlage aufgehoben, weil er im Gegensatz zur ersten Instanz zur Auffassung gekommen war, dass für die im Rahmen des Projekts durchzuführende Rodung kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Forstgesetz bestehe. Das Fehlen eines solchen Interesses an der Projektverwirklichung führte zur Abweisung des Genehmigungsantrages, ohne dass sich der Umweltsenat mit den von den berufenden Nachbarn vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des Immissionsschutzes auseinander setzte (US 11.6.2008, "Voitsberg").
Der Verwaltungsgerichtshof folgte nun der Rechtsauffassung des von HASLINGER/NAGELE & PARTNER vertretenen Projektwerbers und hielt fest, dass der Umweltsenat forstrechtliche Aspekte im Berufungsverfahren zu Unrecht geprüft und als Grund für die Abweisung des Genehmigungsantrages herangezogen hat. Wörtlich führt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22.12.2010, Zlen. 2010/06/0262, 0263 (vormals Zlen. 2008/10/0171, 0362) aus:
Da der Umweltsenat verkannt hat, dass seine Prüfungsbefugnis insofern eingeschränkt ist, hat er somit zu Unrecht den Abweisungsgrund des mangelnden öffentlichen Interesses an der Rodung herangezogen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sowohl die den Genehmigungsantrag abweisende Entscheidung als auch den Bescheid, mit dem dem Projektwerber die Gebühren für die Prüfung forstrechtlicher Fragen durch Sachverständige auferlegt worden waren (US 5.11.2008), wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Die bisher vom Umweltsenat vertretene Auffassung, er sei berechtigt, anlässlich einer zulässigen Berufung den Bescheid in jede Richtung zu überprüfen und Interessen unabhängig von den subjektiven Rechten der Berufungswerber wahrzunehmen (Nachweise etwa bei Altenburger/Berger, UVP-G, 2. Auflage, § 40 Rz 44), kann daher nicht mehr aufrechterhalten werden (kritisch dazu schon Altenburger/Berger aaO). Haben nicht der Umweltanwalt, eine Gemeinde, eine Umweltorganisation oder eine Bürgerinitiative Berufung erhoben - diese Parteien sind im Sinne des § 19 UVP-G berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften "als subjektives Recht imVerfahren geltend zu machen" - sondern "nur" Nachbarn nach § 19 Abs 1 Z 1 oder 2 UVP-G, so hat der Umweltsenat den Umfang des Mitspracherechts des Berufungswerbers zu berücksichtigen und darf nicht ausschließlich wegen einer allfälligen Nichtbeachtung rein objektiven Umweltrechts durch die erste Instanz eine Abänderung des angefochtenen Bescheids vornehmen. Das folgert der VwGH eindeutig daraus, dass nach dem System des § 19 UVP-G das Recht, die Verletzung von Umweltschutzvorschriften geltend zu machen, eben nicht auch den Nachbarn zukommt, sondern nur den oben genannten Legalparteien.
Anders verhält es sich allerdings, wenn Berufungswerber (auch) der Projektwerber selbst ist: Da dieser "uneingeschränkt mitspracheberechtigt" ist, steht - auch wenn der Projektwerber sich nur gegen einzelne Auflagen wendet - stets der gesamte Genehmigungsbescheid auf dem Prüfstand. Deshalb konnte der VwGH auch in dem vom Umweltsenat zur Stützung seiner umfassenden Prüfungsbefugnis herangezogenen Fall "Mutterer Alm" die damalige, den Genehmigungsantrag aufgrund von Verstößen gegen objektives Umweltrecht abweisende Berufungsentscheidung des Umweltsenates bestätigen. In dieser Sache hatte nämlich neben einem Nachbarn auch der Projektwerber selbst eine Berufung eingebracht (vgl. VwGH 8.6.2005, Zl. 2004/03/0116).
Es ist erfreulich, dass der VwGH mit dieser aktuellen Entscheidung eine schon länger dauernde Rechtsunsicherheit in Verfahren beim Umweltsenat mit einem klaren Wort beendet hat. Dass das von einem Fünfer-Senat getroffene Erkenntnis im Einklang mit der - seit dem Erkenntnis des verstärkten Senats vom 3.12.1980, VwSlg 10317 A ständigen - Rechtsprechung des Höchstgerichts zu den im UVP-Verfahren konzentriert anzuwendenden Materiengesetzen steht, ist begrüßenswert. Ebenso erfreulich ist es, dass die klare Begründung dieser Entscheidung mE auch keine (Folge-) Fragen offen lässt.
Im Fall des geplanten Autotest- und Motorsportzentrums ATC Voitsberg hatte der Umweltsenat die von der steiermärkischen Landesregierung erteilte Genehmigung einer Test- und Autosportanlage aufgehoben, weil er im Gegensatz zur ersten Instanz zur Auffassung gekommen war, dass für die im Rahmen des Projekts durchzuführende Rodung kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Forstgesetz bestehe. Das Fehlen eines solchen Interesses an der Projektverwirklichung führte zur Abweisung des Genehmigungsantrages, ohne dass sich der Umweltsenat mit den von den berufenden Nachbarn vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des Immissionsschutzes auseinander setzte (US 11.6.2008, "Voitsberg").
Der Verwaltungsgerichtshof folgte nun der Rechtsauffassung des von HASLINGER/NAGELE & PARTNER vertretenen Projektwerbers und hielt fest, dass der Umweltsenat forstrechtliche Aspekte im Berufungsverfahren zu Unrecht geprüft und als Grund für die Abweisung des Genehmigungsantrages herangezogen hat. Wörtlich führt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22.12.2010, Zlen. 2010/06/0262, 0263 (vormals Zlen. 2008/10/0171, 0362) aus:
"Eine Befugnis der Berufungsbehörde, über die Rechtsrichtigkeit des erstbehördlichen Bescheides abzusprechen, ist … nur in jenem Umfang gegeben, in dem eine Partei eine Rechtsverletzung bei der Berufungsbehörde geltend machen kann. … Soweit sich die Nachbarn gegen die Annahme der Erstbehörde betreffend das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der beantragten Rodung wenden, gehen sie über jenen Bereich hinaus, in welchem ihnen ein Mitspracherecht eingeräumt ist."
Da der Umweltsenat verkannt hat, dass seine Prüfungsbefugnis insofern eingeschränkt ist, hat er somit zu Unrecht den Abweisungsgrund des mangelnden öffentlichen Interesses an der Rodung herangezogen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sowohl die den Genehmigungsantrag abweisende Entscheidung als auch den Bescheid, mit dem dem Projektwerber die Gebühren für die Prüfung forstrechtlicher Fragen durch Sachverständige auferlegt worden waren (US 5.11.2008), wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Die bisher vom Umweltsenat vertretene Auffassung, er sei berechtigt, anlässlich einer zulässigen Berufung den Bescheid in jede Richtung zu überprüfen und Interessen unabhängig von den subjektiven Rechten der Berufungswerber wahrzunehmen (Nachweise etwa bei Altenburger/Berger, UVP-G, 2. Auflage, § 40 Rz 44), kann daher nicht mehr aufrechterhalten werden (kritisch dazu schon Altenburger/Berger aaO). Haben nicht der Umweltanwalt, eine Gemeinde, eine Umweltorganisation oder eine Bürgerinitiative Berufung erhoben - diese Parteien sind im Sinne des § 19 UVP-G berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften "als subjektives Recht imVerfahren geltend zu machen" - sondern "nur" Nachbarn nach § 19 Abs 1 Z 1 oder 2 UVP-G, so hat der Umweltsenat den Umfang des Mitspracherechts des Berufungswerbers zu berücksichtigen und darf nicht ausschließlich wegen einer allfälligen Nichtbeachtung rein objektiven Umweltrechts durch die erste Instanz eine Abänderung des angefochtenen Bescheids vornehmen. Das folgert der VwGH eindeutig daraus, dass nach dem System des § 19 UVP-G das Recht, die Verletzung von Umweltschutzvorschriften geltend zu machen, eben nicht auch den Nachbarn zukommt, sondern nur den oben genannten Legalparteien.
Anders verhält es sich allerdings, wenn Berufungswerber (auch) der Projektwerber selbst ist: Da dieser "uneingeschränkt mitspracheberechtigt" ist, steht - auch wenn der Projektwerber sich nur gegen einzelne Auflagen wendet - stets der gesamte Genehmigungsbescheid auf dem Prüfstand. Deshalb konnte der VwGH auch in dem vom Umweltsenat zur Stützung seiner umfassenden Prüfungsbefugnis herangezogenen Fall "Mutterer Alm" die damalige, den Genehmigungsantrag aufgrund von Verstößen gegen objektives Umweltrecht abweisende Berufungsentscheidung des Umweltsenates bestätigen. In dieser Sache hatte nämlich neben einem Nachbarn auch der Projektwerber selbst eine Berufung eingebracht (vgl. VwGH 8.6.2005, Zl. 2004/03/0116).
Es ist erfreulich, dass der VwGH mit dieser aktuellen Entscheidung eine schon länger dauernde Rechtsunsicherheit in Verfahren beim Umweltsenat mit einem klaren Wort beendet hat. Dass das von einem Fünfer-Senat getroffene Erkenntnis im Einklang mit der - seit dem Erkenntnis des verstärkten Senats vom 3.12.1980, VwSlg 10317 A ständigen - Rechtsprechung des Höchstgerichts zu den im UVP-Verfahren konzentriert anzuwendenden Materiengesetzen steht, ist begrüßenswert. Ebenso erfreulich ist es, dass die klare Begründung dieser Entscheidung mE auch keine (Folge-) Fragen offen lässt.
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