Vorliegen eines Städtebauvorhabens Frage des Einzelfalles; Voraussetzungen für die Aussetzung eines Planes wegen unterbliebener SUP
Anh 1 Z 18 lit b UVP-G; Art 4 Abs 2 UVP-RL; SUP-RL; § 2 Abs 1b BO für Wien; Art 133 Abs 4 B-VG
Ob ein bestimmtes Vorhaben ein Städtebauvorhaben iS des Anh 1 Z 18 lit b UVPG 2000 ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Um die Zulässigkeit einer Revision zu begründen, müsste daher in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt werden, dass die diesbezügliche Beurteilung des VwG grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl VwGH 22. 1. 2019, Ra 2018/05/0286; 26. 2.2019, Ra 2019/06/0012, jeweils mwN).
Art 4 Abs 2 der UVP-RL sieht für die in Anhang II (dieser RL) genannten Projekte vor, dass die Mitgliedstaaten anhand einer Einzelfallentscheidung oder anhand der von dem betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien entscheiden, ob für das Projekt eine UVP durchzuführen ist. Den Mitgliedstaaten wird mit dieser Bestimmung ein Ermessensspielraum eingeräumt, der aber – wie der EuGH bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl etwa EuGH 28. 2. 2018, Comune di Castelbellino, C-117/17, Rn 37, 39) – durch die in Art 2 Abs 1 UVP-RL festgelegte Pflicht begrenzt ist, die Projekte, bei denen ua aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor der Erteilung einer Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen zu unterziehen. Hierbei würde ein Mitgliedstaat, der diese Schwellenwerte bzw. Kriterien so festlegte, dass in der Praxis alle Projekte einer bestimmten Art von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen wären, seinen Wertungsspielraum überschreiten, es sei denn, aufgrund einer Gesamtbeurteilung aller ausgenommenen Projekte wäre davon auszugehen, dass bei ihnen nicht mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei.
Hat sich das VwG im angefochtenen Erk alternativ auch damit auseinandergesetzt, ob vorliegend bei unmittelbarer Anwendung der UVP-RL eine UVP durchzuführen wäre, so kann im Revisionsverfahren dahinstehen, ob das Vorbringen der Revisionswerberin, der Tatbestand des „Städtebauvorhabens“ in Anhang 1 Z 18 li. b UVP-G widerspreche der UVP-RL und deren Tatbestand des „Städtebauprojektes“ sei unionsrechtswidrig umgesetzt, zutrifft, weil das VwG fallbezogen mit näherer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben (bei dem es sich um eine - Baulücken schließende - reine Wohnbebauung mit nur 33 Wohnungen und 21 PKW-Stellplätzen in einem bereits mittels Straßen und Versorgungseinrichtungen erschlossenen Gelände handelt) ein bloß geringes Potential für eine Beeinträchtigung der Umwelt bestehe und dieses daher auch in direkter Anwendung der UVP-RL keiner UVP zu unterziehen sei.
Falls den unionsrechtlichen Vorgaben der RL 2001/42/EG (SUP-Richtlinie) bei Erlassung eines Flächenwidmungsplanes nicht Rechnung getragen wurde, so kann die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung unter Aussetzung des - ohne die SUP ergangenen - Planes geprüft werden, wobei es für eine Aussetzung keines ausdrücklich darauf gerichteten Ausspruchs bedarf; dieses hat vielmehr in der Form zu erfolgen, dass der - allenfalls unionsrechtswidrige - Plan bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung durch den VwGH unangewendet und somit außer Betracht zu bleiben hat bzw nicht als Grundlage heranzuziehen ist (vgl VwGH 15. 10. 2020, Ro 2019/04/0021, Rn 175).
Wenn in einer Revision allerdings nicht dargelegt wird, inwiefern der auf das Bauvorhaben konkret anwendbare Flächenwidmungs- und Bebauungsplan in unionsrechtswidriger Weise keiner SUP unterzogen worden sei, und warum das in Rede stehende Plandokument iS des § 2 Abs 1b BO für Wien voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen iS der Kriterien des Anh II der SUP-RL haben sollte, wird die Zulässigkeit der Revision nicht ausreichend dargetan.
VwGH 07.03.2023, Ra 2021/05/0162
Verletzung der Verhandlungspflicht bei Einwand der UVP-Pflicht im Materienverfahren
Art 46, 51 Abs 1 GRC; Art 11 UVP-RL; § 24 Abs 4 VwGVG
Die in Art 47 GRC festgelegten Garantien, die inhaltlich jenen des Art 6 EMRK entsprechen, kommen zum Tragen, wenn in einem Genehmigungsverfahren nach dem MinroG und dem WRG von einem Einwender (Bf) geltend gemacht wird, dass die Projektwerberin die Projektfläche unsachlich aufgesplittet habe, um einer UVP zu entgehen (vgl dazu VwGH 29. 3. 2006, 2004/04/0129, mwN). In diesem Fall ist auch das in Umsetzung der RL 2011/92/EU eingeführte UVP-G in den Blick zu nehmen, welches Angelegenheiten der „Durchführung des Rechts der Union“ iSd Art 51 Abs 1 GRC betrifft (vgl zur Bindung an die GRC bei der Auslegung von in nationales Recht umgesetzten RL etwa EuGH 29. 1. 2008, C-275/06, Promusicae, Rn 68).
Wurde das Ausmaß der projektgegenständlichen Fläche in der Beschwerde bestritten und sah sich das VwG veranlasst, sich mit diesem Vorbringen beweiswürdigend auseinanderzusetzen, so durfte sich dieses nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass der Sachverhalt geklärt gewesen sei, sofern es sich nicht um ein unsubstantiierten Bestreiten handelte, welches außer Betracht bleiben hätte können (vgl etwa VwGH 21. 8. 2023, Ra 2022/07/0166). Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen – wie hier – ist jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Eine Missachtung der Verhandlungspflicht führt im Anwendungsbereich des Art 6 EMRK und des Art 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste (vgl VwGH 20. 2. 2023, Ra 2021/07/0062, mwN).
VwGH 19. 3. 2024, Ra 2022/07/0075
Beschwerdebefugnis einer nach dem UVP-G anerkannten Umweltorganisation in Verfahren nach dem NÖ NSchG
§ 19 Abs 6 und 7 UVP-G; § 27b Abs 1 und § 27c Abs 1 NÖ NSchG idF LGBl 2019/26
Der Wortlaut der Bestimmungen des § 27c Abs 1 und § 27b Abs 1 NÖ NSchG 2000 idF LGBl 2019/26 verweist - ohne jegliche Einschränkungen etwa im Hinblick auf den statutengemäßen sachlichen oder örtlichen Tätigkeitsbereich - auf Umweltorganisationen, die gemäß § 19 Abs 7 UVP-G "zur Ausübung von Parteienrechten in Niederösterreich befugt" sind. Damit nimmt der Gesetzgeber unmissverständlich auf den im Grunde des § 19 Abs 7 UVP-G erfolgten bescheidmäßigen Abspruch über die Erfüllung der Kriterien des § 19 Abs 6 UVP-G und die Festlegung, in welchen Bundesländern die UO zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist, Bezug.
Es ist den Materialien (Ltg.-506/A-1/30-2018) der Novelle des NÖ NSchG 2000 LGBl 2019/26 nicht zu entnehmen, dass eine zur Ausübung von Parteirechten in Niederösterreich befugte UO (als Teil der „betroffenen Öffentlichkeit“ iS der Aarhus Konvention) einer weitergehenden Beschränkung ihrer Beschwerdebefugnis (etwa mit Blick auf deren statutengemäßen sachlichen oder örtlichen Tätigkeitsbereich) unterliegen sollte, als jener des Bestehens der Befugnis zur Ausübung von Parteirechten in NÖ gem § 19 Abs 7 UVP-G. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so kommt der UO ohne Einschränkungen im Hinblick auf deren statutengemäßen sachlichen oder örtlichen Tätigkeitsbereich grundsätzlich ein Beschwerderecht nach § 27c Abs 1 NÖ NSchG zu.
VwGH 23.05.2023, Ro 2022/10/0006
Keine Beeinträchtigung einer revisionswerbenden Umweltorganisation durch (Nicht-)Beiziehung weiterer Parteien
§ 32 VwGG; 19 Abs 10 UVP-G
Eine Umweltorganisation kann nicht dadurch in ihren Rechten verletzt sein, dass das BVwG im Verfahren über einen von ihr gestellten Wiederaufnahmeantrag (nur) die Projektwerberin als weitere Partei beigezogen hat, nicht jedoch andere Parteien. Durch die (Nicht-)Beiziehung weiterer Parteien ist die UO in den ihr gemäß § 19 Abs 10 UVP-G eingeräumten Rechten, nämlich die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen, nicht beeinträchtigt.
VwGH 12.06.2023, Ra 2023/06/0074
Betroffenenrechte und Parteistellung von anerkannten Umweltorganisationen im Abnahmeverfahren; Genehmigung von Abweichungen im Abnahmeverfahren
§ 17 Abs 2 bis 5, § 18 Abs 3, § 18b, § 19 Abs 1, 7 und 10, § 20 Abs 2 und 4 UVP-G; § 13 Abs 8 AVG
Anerkannte Umweltorganisationen (UO) haben im Abnahmeverfahren Parteistellung und es ist ihnen zum Ergebnis der Abnahmeprüfung und in Bezug auf die nachträgliche Genehmigung geringfügiger Abweichungen rechtliches Gehör einzuräumen. Eine UO kann im Abnahmeverfahren die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften geltend machen.
Die in § 20 Abs 4 zweiter Satz UVP-G vorgesehene Möglichkeit, nachträglich geringfügige Abweichungen genehmigen zu können, stellt eine Ausnahme von dem im ersten Satz formulierten Grundsatz, wonach die Beseitigung festgestellter Abweichungen aufzutragen ist, dar. Ausnahmen sind grundsätzlich restriktiv auszulegen. Diese Bestimmung ermöglicht es der Bauwerberin, Abweichungen weder beseitigen noch für diese ein eigenes Genehmigungsverfahren durchführen zu müssen. Diese Erleichterung darf aber nicht dazu führen, dass den von den Abweichungen Betroffenen Rechte vorenthalten werden, die sie im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens geltend machen könnten.
Im Verfahren nach § 20 UVP-G geht es nicht um die Frage, ob eine Abweichung von vornherein geplant war, sondern (nur) darum, ob das fertiggestellte Vorhaben der Genehmigung entspricht (vgl zur Abnahmeprüfung nach § 20 UVP-G etwa VwGH 3. 10. 2018, Ra 2018/07/0421, 0422, Rn 15). Das fertiggestellte Vorhaben ist somit in Relation zum ursprünglichen Genehmigungskonsens zu setzen; sollten sich dabei geringfügige Abweichungen zeigen, sind diese - bei Vorliegen der Voraussetzungen - ihrerseits "nachträglich" zu genehmigen.
Auch wenn sich in § 18 Abs 3 sowie § 20 Abs 4 UVP-G - anders als in § 18b letzter Satz UVP-G - kein Hinweis auf eine (allenfalls notwendige) Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und der UVP findet, ist auch für das Abnahmeverfahren nach § 20 UVP-G davon auszugehen, dass - wenn dies für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit von geringfügigen Abweichungen erforderlich ist - ein darauf gerichtetes Ermittlungsverfahren durchzuführen und die Ergebnisse der UVP diesbezüglich zu ergänzen sind.
Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der Änderung im Hinblick auf die Genehmigungskriterien des § 17 Abs 2 bis 5 UVP-G sowie der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Änderung handelt es sich - jedenfalls dem Grunde nach - um zwei voneinander getrennte Prüfschritte.
Es kann für die Frage der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Abweichung im Sinn des § 20 Abs 4 UVP-G auf die Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer nicht wesentlichen Antragsänderung gemäß § 13 Abs 8 AVG im Beschwerdeverfahren vor dem VwG zurückgegriffen werden. Da für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Antragsänderung im Sinn des § 13 Abs 8 AVG auf das Bewirken zusätzlicher oder neuer Gefährdungen abgestellt wird, ist es nicht zu beanstanden, wenn für die Beurteilung einer Abweichung als geringfügig (ua) die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVPG- berücksichtigt werden.
Eine nachträgliche Abänderung von Nebenbestimmungen durch einen Abnahmebescheid nach § 20 Abs 4 UVP-G würde ihre Rechtswirkungen erst ab Erlassung dieses Bescheides entfalten und somit nichts an der bis dahin erfolgten Nichteinhaltung der Nebenbestimmung ändern (vgl VwGH 3. 10. 2018, Ra 2018/07/0421, 0422, Rn 24). Daraus ergibt sich umgekehrt aber gerade nicht, dass die Nichteinhaltung einer Auflage der nachträglichen Genehmigung als geringfügige Abweichung dem Grunde nach entgegensteht.
Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes ist keine Immission
§ 17 Abs 2 Z 2 UVP-G (idF BGBl I 2018/80); §§ 75, 77 GewO 1994
§ 17 Abs. 2
UVP-G 2000 kommt der Charakter eines Auffangregimes zu, das über alle Vorhabensgruppen des
UVP-G 2000 hinweg einen Mindeststandard einzieht (vgl. VwGH 22.11.2018,
Ro 2017/07/0033). Die dort geregelten Genehmigungskriterien gelten im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zusätzlich, soweit die Anforderungen nicht schon in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehen sind. Die Vorgaben des § 17 Abs. 2
UVP-G 2000 werden zum einen als Mindeststandards angesehen, die ein Vorhaben jedenfalls zu erfüllen hat. Zum anderen können sie auch verschärfend wirken, nämlich wenn eine im Sinn des Umweltschutzes strengere Anordnung des § 17 Abs. 2 leg. cit. eine schwächere Regelung des Materiengesetzes verdrängt.
Unter dem in § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 genannten Begriff der "Immission" ist jede Form einer Einwirkung zu verstehen, die von einem Vorhaben ausgeht und die die Schutzgüter des § 1 Abs. 1 Z 1 des UVP-G 2000 beeinträchtigen kann. Dieser Begriff umfasst auch die direkte Einwirkung auf den Boden, etwa in Form der Entfernung der Deckschicht und/oder der Versiegelung des Bodens, jedenfalls alle physischen Einwirkungen.
Mit § 17 Abs. 2 Z 2
lit. a und
c U
VP-G 2000 wurden die traditionellen gewerberechtlichen Nachbarschutzstandards (Gesundheits- und Belästigungsschutz, Schutz des Eigentums) als Mindeststandard verankert. Dadurch kommt der Bezug zur GewO 1994 zum Ausdruck. Die zu § 75 Abs. 1 GewO 1994 ergangene Rechtsprechung ist auf das
UVP-G 2000 - konkret auf dessen § 17 Abs. 2 Z 2
lit. a - übertragbar (vgl. dazu etwa das in einem
UVP-Genehmigungsverfahren für eine 380 kV-Leitung ergangene Erkenntnis VwGH 24.6.2009,
2007/05/0171).
Die Übertragung dieser zur GewO 1994 ergangenen Rechtsprechung erstreckt sich aus folgenden Erwägungen nicht nur auf die (direkt an die GewO 1994 anknüpfenden) lit. a und c, sondern auch auf die lit. b des § 17 Abs. 2 Z 2 UVP-G 2000: Die im Einleitungssatz des § 17 Abs. 2 Z 2 UVP-G 2000 normierte Vorgabe, wonach die Immissionsbelastung möglichst gering zu halten ist und bestimmte Immissionen jedenfalls zu vermeiden sind, bezieht sich nämlich - vom Wortlaut her - auf die anschließenden drei Tatbestände lit. a bis c gleichermaßen. Der Begriff der "Immission" gilt daher auch für die lit. b. Zwar ist dort allgemeiner von "erheblichen Belastungen der Umwelt durch nachhaltige Einwirkungen" die Rede und erfolgt zudem eine Erweiterung in Bezug auf die Schutzgüter. Dem Wortlaut bzw. dem Aufbau des § 17 Abs. 2 Z 2 UVP-G 2000 zu Folge stellen die angesprochenen Belastungen allerdings auch eine mögliche Form der im Einleitungssatz genannten Immissionen dar. Insoweit ist die Rechtsprechung zum Immissionsbegriff des gewerblichen Betriebsanlagenrechts auch auf § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 zu übertragen.
Im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 Z 2
lit. b UVP-G 2000 ist auf nichtphysische Einwirkungen - wie etwa die durch den Anblick einer Anlage hervorgerufenen Beeinträchtigungen des Empfindens - nicht Bedacht zu nehmen. Der VwGH hat (schon wiederholt) Beeinträchtigungen des Empfindens durch einen bestimmten Anblick von physischen Einwirkungen abgegrenzt bzw. diesen nicht zugerechnet (vgl. VwGH 15.10.2003,
2002/04/0073, VwGH 1.7.2010,
2004/04/0166, bzw. VwGH 24.6.2009,
2007/05/0115, Pkt. 15; vgl. weiters zu Einwirkungen iSd § 364 Abs. 2 ABGB auch OGH 26.8.2008, 5 Ob 173/08i, Pkt. 13).
§ 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 findet auf Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes keine Anwendung.
Zur Darlegung einer Befangenheit von Sachverständigen;
Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes keine Immission
§ 7 AVG; § 17 Abs 2 Z 2 UVP-G (idF BGBl I 2018/80)
Zur Frage einer allfälligen Befangenheit von bereits im Behördenverfahren beigezogenen Sachverständigen hat der VwGH festgehalten, dass jeder Vorwurf einer Befangenheit konkrete Umstände aufzuzeigen hat, welche die Objektivität des Sachverständigen in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen. Weiters hat der VwGH festgehalten, dass keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen in einem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren bestehen, und zwar selbst dann nicht, wenn ein Bediensteter der belangten Behörde, der bereits im Verfahren vor der Behörde als Sachverständiger tätig geworden ist, auch vom VwG in derselben Sache als Sachverständiger beigezogen wird. Dies gilt umso mehr für Amtssachverständige, die keine Bediensteten der belangten Behörde sind, sowie für nichtamtliche Sachverständige, die nicht organisatorisch in die Behörde eingegliedert sind (vgl VwGH 24. 05. 2022, Ra 2021/03/0167 bis 0276, Rn 124 und 127, mwN).
Mit einem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen sowie einem Hinweis darauf, dass der nichtamtliche Sachverständige die von seinem Gutachten abweichenden Ergebnisse in einer nachfolgenden, „erkennbar falschen“ Stellungnahme des Amtes der LReg als nachvollziehbar bezeichnet hat, wird der Vorwurf einer Befangenheit nicht ausreichend konkret iS der Rsp des VwGH dargelegt.
§ 17 Abs 2 Z 2 lit b UVP-G 2000 findet auf Einwirkungen auf das Landschaftsbild durch eine Windkraftanlage keine Anwendung, weil Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes keine Immissionen iS dieser Gesetzesbestimmung sind (siehe VwGH 21. 12. 2023, Ro 2020/04/0018).
Kumulationsprüfung nicht auf gleichartige Vorhaben einzuschränken
§ 3 Abs 2 UVP-G idF BGBl I 2017/58 und § 3a Abs 6 UVP-G idF BGBl I 2018/80
Die Revision macht eine mangelhafte Einzelfallprüfung durch Berücksichtigung bloß „gleichartiger“ Vorhaben seitens der belangten Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (mit Verweis auf VwGH 17.12.2019, Ro 2018/04/0012) und den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 24. November 2022 in der Rechtssache des EuGH C-575/21 sei die Einzelfallprüfung nicht auf „gleichartige“ Vorhaben einzuschränken. Eine solche - vom Verwaltungsgericht vorgenommene - Einschränkung sei im Anhang III der UVP-RL nicht vorgesehen und daher unionsrechtswidrig.
15 In seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 2019, Ro 2018/04/0012, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Einzelfallprüfung gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 idF BGBl. I Nr. 58/2017, wie folgt ausgeführt:
„Im Rahmen der Einzelfallprüfung ist gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz UVP-G 2000 festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine UVP für das geplante Vorhaben durchzuführen ist. Die Einzelfallprüfung hat nicht bloß abstrakt zu erfolgen, sondern es ist vielmehr eine konkrete Gefährdungsprognose zu erstellen. Eine bloß abstrakte Gefährlichkeitsprognose steckt nämlich schon hinter der Aufnahme bestimmter Anlagen in Anhang 1. Auf Ebene der Einzelfallprüfung muss daher eine konkrete, auf bestimmte Elemente des Einzelfalles abstellende Prüfung stattfinden (vgl. VwGH 21.12.2011, 2007/04/0112, mwN).
Bei der Frage, ob mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, sind nach § 3 Abs. 2 vierter Satz UVP-G 2000 im Rahmen der Einzelfallprüfung die Kriterien des § 3 Abs. 4 Z 1 bis 3 UVP-G 2000 (vgl. zu diesen Kriterien auch Art. 4 Abs. 3 und Anhang III der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-RL) heranzuziehen (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/07/0034, Rn. 20, mwN). Dabei sind die Auswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben auf die Umwelt zu beurteilen (vgl. VwGH 11.5.2017, Ra 2017/04/0006, Rn. 40).
Dies entspricht der in § 1 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 festgelegten Aufgabe der UVP unter Beteiligung der Öffentlichkeit auf fachlicher Grundlage die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen festzustellen, zu beschreiben und zu bewerten, die ein Vorhaben a) auf Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, b) auf Boden, Wasser, Luft und Klima, c) auf die Landschaft und d) auf Sach- und Kulturgüter hat oder haben kann, wobei Wechselwirkungen mehrerer Auswirkungen untereinander miteinzubeziehen sind."
Demnach ist bei der Einzelfallprüfung auf die Auswirkungen der für das Erreichen des Schwellenwerts der Spalten 2 und 3 des Anhangs 1 zum UVP-G 2000 heranzuziehenden Vorhaben auf die Umwelt, und zwar unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 (Merkmale und Standort des Vorhabens sowie Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt) und - bezogen auf die durch das Vorhaben betroffenen Schutzgüter - der von im räumlichen Zusammenhang stehenden Projekten ausgehenden Belastungen Bedacht zu nehmen. So führte der EuGH in seinem Urteil vom 11. Februar 2011 [richtig: 5], Marktgemeinde Strasswalchen u.a., C-531/13, ausgehend von den unter Anhang III Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der Fassung der Richtlinie 2009/31/EG angeführten Kriterien (weitgehend ident mit den unter Anhang III Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2011/92/EU angeführten Kriterien) aus, dass die Pflicht der Prüfung der Auswirkungen eines Projekts zusammen mit anderen Projekten zwecks Überprüfung, ob ein Projekt einer UVP unterzogen werden muss, nicht allein auf gleichartige Projekte beschränkt ist. In diese Vorprüfung ist einzubeziehen, ob die Umweltauswirkungen eines Projekts wegen der Auswirkungen anderer Projekte größeres Gewicht haben können als bei deren Fehlen (Rn. 45).
Da gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz UVP-G 2000 die Feststellung einer UVP-Pflicht auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung voraussetzt, dass aufgrund der Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, sind nur Vorhaben zu berücksichtigen, die insofern schutzgutbezogen im räumlichen Zusammenhang mit dem zu prüfenden Vorhaben stehen, als Wechselwirkungen ihrer Auswirkungen mit den Auswirkungen des zu prüfenden Vorhabens auf einzelne Schutzgüter im für die Umwelt erheblichen Ausmaß nicht von vornherein ausgeschlossen werden können.
Bei dieser Beurteilung im Zuge der Einzelfallprüfung müssen nicht nur bestehende, sondern auch geplante Projekte (inklusiver geplanter Ausgleichsmaßnahmen) berücksichtigt werden (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/07/0034, Rn. 28; 29.11.2016, Ra 2016/06/0068, Rn. 37), soweit diese Projekte bereits genehmigt oder mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden.“
Demnach ist die Einzelfallprüfung nicht auf betreffend das zu prüfende Vorhaben und nach dem maßgeblichen Tatbestand des Anhangs 1 zum UVP-G 2000 gleichartige Projekte einzuschränken. Vielmehr sind grundsätzlich Vorhaben zu berücksichtigen, die insofern schutzgutbezogen im räumlichen Zusammenhang mit dem zu prüfenden Vorhaben stehen, als Wechselwirkungen ihrer Auswirkungen mit den Auswirkungen des zu prüfenden Vorhabens auf einzelne Schutzgüter im für die Umwelt erheblichen Ausmaß nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Diese Rechtsprechung ist auf die Einzelfallprüfung nach § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 idF BGBl. I Nr. 80/2018 übertragbar.
Die Einzelfallprüfung gemäß § 3 Abs. 2 und § 3a Abs 6 UVP-G 2000 idF BGBl. I Nr. 58/2017 ist nicht auf betreffend das zu prüfende Vorhaben und nach dem maßgeblichen Tatbestand des Anhangs 1 zum UVP-G 2000 gleichartige Projekte einzuschränken. Vielmehr sind grundsätzlich Vorhaben zu berücksichtigen, die insofern schutzgutbezogen im räumlichen Zusammenhang mit dem zu prüfenden Vorhaben stehen, als Wechselwirkungen ihrer Auswirkungen mit den Auswirkungen des zu prüfenden Vorhabens auf einzelne Schutzgüter im für die Umwelt erheblichen Ausmaß nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. VwGH 17.12.2019, Ro 2018/04/0012). Diese Rechtsprechung ist auf die Einzelfallprüfung nach § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 idF BGBl. I Nr. 80/2018 übertragbar.
Revision des Umweltanwalts bedarf als Amtsrevision keiner Angabe von "Revisionspunkten"; Prognoseentscheidung bei Gesamtbewertung nach § 17 Abs 5 UVP-G; Bestimmtheit von Auflagen
§ 17 Abs 4 und § 19 Abs 3 UVP-G; Art 133 Abs 8 B-VG; § 28 Abs 1 Z 4 VwGG; § 59 Abs 1 AVG
Bei der Revision eines Umweltanwaltes handelt es sich um eine Amtsrevision (vgl. VwGH 9.9.2016,
Ro 2014/02/0061, Rn. 27; VwGH 20.12.2017,
Ra 2017/10/0139, Rn. 9). Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass der Umweltanwalt (grundsätzlich) über keine subjektiven Rechte verfügt, sondern Kompetenzen ausübt (vgl. VwGH 25. 4. 2013, 2012/10/0096, 15.3.2011, 2010/05/0205).
Der VfGH hat festgehalten, dass der als Partei fungierende Umweltanwalt nur formal Rechte ausübt, inhaltlich gesehen jedoch Kompetenzen wahrnimmt; ein Eingriff in die Rechtssphäre (dort als Voraussetzung für die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG) wurde vom VfGH für (insbesondere staatliche) Organe eines Rechtsträgers grundsätzlich verneint (vgl. VfGH 16.6.2004, G 4/04 u.a., VfSlg. 17.220, Pkt. 3.4.; VfGH 13.12.2017, E 3546/2017, Rn. 7, zum Kärntner Naturschutzbeirat). Bei den vom einfachen Gesetzgeber zu subjektiven Rechten erklärten öffentlichen Interessen bestimmter Verwaltungsbehörden einschließlich des Interesses an der Einhaltung von dem Umweltschutz dienenden Rechtsvorschriften handelt es sich somit nicht um "echte" subjektive Rechte, mit denen auch private Interessen bestimmter, spezifisch betroffener Einzelner geschützt werden; eine derartige Regelung liegt bei der durch § 19 Abs. 3 UVPG 2000 begründeten Rechtsposition nicht vor (vgl. erneut VfGH G 4/04 u.a.).
Die Revision eines Umweltanwaltes bedarf daher keiner Angabe des Revisionspunktes iS des § 28 Abs 1 Z 4 VwGG.
Im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfordert die Gesamtabwägung nach § 17 Abs. 5 UVPG 2000 im Hinblick auf die Beurteilung, ob schwerwiegende Umweltbelastungen "zu erwarten" sind, eine Prognoseentscheidung. Ganz allgemein sind Prognoseentscheidungen auf Grund von ausreichenden Sachverhaltsermittlungen - etwa schlüssigen Sachverständigengutachten - zu treffen (vgl. VwGH 20.12.2005,
2004/05/0138). Es ist eine Frage des Einzelfalls, auf Grund welcher Beweisergebnisse das VwG letztlich vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes überzeugt sein kann, wobei im Falle von Prognoseentscheidungen entsprechend darauf Bedacht zu nehmen ist, dass Aussagen über Zukünftiges naturgemäß mit einer gewissen (unterschiedlich starken) Unsicherheit behaftet sein müssen.
Die Gesamtbewertung nach § 17 Abs. 5 UVPG 2000 erfordert eine zusammenfassende Gesamtschau, die - unter Berücksichtigung aller Synergien, Überlagerungen, Kumulationseffekte etc. - die in den jeweiligen Teilgutachten fachlich-naturwissenschaftlich festgestellten Belastungen und Beeinträchtigungen der einzelnen Schutzgüter zu einem Gesamtbild der zu erwartenden Umweltauswirkungen zusammenführt. Die Gesamtbewertung setzt daher eine möglichst vollständige Einbeziehung aller vorhabensbedingten Umweltauswirkungen voraus, die dann in einen Gesamtkontext zu stellen, also in Summe und im Verhältnis zueinander zu beurteilen sind. Vor einer Sachentscheidung über einen Bewilligungsantrag hat daher eine Gesamtbeurteilung nach § 17 Abs. 5 UVPG 2000 zu erfolgen.
Eine auf § 17 Abs. 5 UVPG 2000 gestützte Abweisung eines Antrags setzt eine höhere Wahrscheinlichkeit des Eintretens schwerwiegender Umweltbelastungen voraus (vgl. VwGH 6.7.2010,
2008/05/0115, Pkt. 4.3.1., mwN).
Auflagen, die zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage vorgeschrieben werden, müssen bestimmt und geeignet sein, was voraussetzt, dass sie einerseits dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen und andererseits die Möglichkeit der jederzeitigen aktuellen Überprüfung der Einhaltung der Auflagen gegeben ist (Hinweis E vom 24.2.2006, Zl. 2001/04/0153). Dies gilt nicht bloß für den durch die Auflage belasteten Konsensträger, sondern auch für die Partei, deren Rechte durch die Auflage geschützt werden sollen. Auch hinsichtlich einer solchen Partei widerspricht die Formulierung einer Auflage dem zuvor umschriebenen Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn ihr Inhalt auch unter Beiziehung eines Fachkundigen nicht verlässlich ermittelt werden kann (VwGH vom 20. November 2014, 2011/07/0244).
Einwand der UVP-Pflicht im Betriebsanlagenverfahren durch einen benachbarten Restaurantbetreiber
Art 1 Abs 2 UVP-RL; § 8 AVG; § 75 Abs 2 GewO 1994; § 3 Abs 7 UVP_G 2000
Der revisionswerbenden Partei käme als (nicht dinglich berechtigte - siehe dazu VwGH 21.6.2021, Ra 2021/04/0011) Betreiberin eines Autobahnrestaurants und damit als Inhaberin einer Einrichtung, in der sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, - aus rein innerstaatlicher Sicht - keine Nachbar- und Parteistellung nach der GewO 1994 zu, zumal der Aufenthalt von Kunden in einem Restaurant nicht durch eine für etwa Beherbergungsbetriebe typische Art der Inanspruchnahme gekennzeichnet, sondern eher mit dem Aufenthalt von Kunden in einem Handelsbetrieb vergleichbar ist. Mit Urteil vom 16. April 2015 in der Rs C-570/13, Karoline Gruber gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten, wies der EuGH auf den Effektivitätsgrundsatz hin und führte weiter aus, eine auf der Grundlage einer nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, dürfe einen zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne der Richtlinie 2011/92 gehörenden Einzelnen, der die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf ein "ausreichendes Interesse" oder gegebenenfalls eine "Rechtsverletzung" erfülle, nicht daran hindern, diese Entscheidung im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten.
Durch das Fehlen der Nachbar- und Parteistellung nach der GewO 1994 unterscheidet sich der vorliegende Fall von jener Konstellation, die dem Fall „Karoline Gruber“ zugrunde lag (vgl. Rn. 22), wo der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass Personen, die unter den Begriff „Nachbar“ im Sinn des § 75 Abs. 2 GewO 1994 fallen, zur „betroffenen Öffentlichkeit“ im Sinn von Art. 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie gehören (vgl. VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002).
21 Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof (in Zusammenhang mit der Parteistellung und dem Antragsrecht im UVP-Feststellungsverfahren) auch schon ausgesprochen, dass in Fällen, in denen der Revisionswerber in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Vorhaben als der betroffenen Öffentlichkeit im Sinn des Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie angehörig angesehen werden kann, restriktive Regelungen der Parteistellung in den betreffenden Materiengesetzen unangewendet zu bleiben haben und der Revisionswerber, insoweit er an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist (§ 8 AVG), fallbezogen gemäß den Bestimmungen der UVP-Richtlinie Parteistellung im Verfahren nach dem betreffenden Materiengesetz haben muss, um dort vorbringen zu können, dass das Vorhaben einer UVP zu unterziehen wäre (vgl. etwa aus dem Veranstaltungsrecht VwGH 5.11.2015, Ro 2014/06/0078, und aus dem Baurecht VwGH 24.1.2017, Ro 2016/05/0011).
22 Nach der Rechtsprechung des EuGH, auf die der Verwaltungsgerichtshof hier Bezug nimmt, verfügen die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung dessen, was ein „ausreichendes Interesse“ oder eine „Rechtsverletzung“ darstellt, zwar über einen weiten Wertungsspielraum. Aus dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 3 der UVP-Richtlinie ergibt sich jedoch, dass dieser Wertungsspielraum seine Grenzen in der Beachtung des Ziels findet, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Es steht dem nationalen Gesetzgeber zwar frei, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinn des Art. 11 der UVP-Richtlinie geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken, das heißt auf individuelle Rechte, die nach dem nationalen Recht als subjektiv-öffentliche Rechte qualifiziert werden können. Doch dürfen die Bestimmungen dieses Artikels über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen sind, nicht restriktiv ausgelegt werden (vgl. etwa VwGH Ro 2014/06/0078 unter Verweis auf EuGH 16.4.2015, Rs. C-570/13, Karoline Gruber).
23 Ausgehend davon hätte das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei nicht schon wegen mangelnder Parteistellung nach § 75 GewO 1994 zurückweisen dürfen. Vielmehr hätte es prüfen müssen, ob die revisionswerbende Partei mit ihrem Vorbringen, Inhaberin einer Einrichtung zu sein, in der sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Vorhaben und das dazu geführte betriebsanlagenrechtliche Verfahren als der betroffenen Öffentlichkeit im Sinn des Art. 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie angehörend anzusehen ist (vgl. VwGH Ro 2016/05/0011, Rn. 23 und 24). Dazu hätte es der Klärung und der Erörterung mit der revisionswerbenden Partei bedurft, ob deren Kunden durch die Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage gefährdet oder belästigt im Sinn des § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 werden (vgl. in diesem Sinn VwGH Ro 2016/05/0011, Rn. 20).
VwGH 21.12.2023, Ra 2020/04/0143
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