Der EuGH hat in seinem Urteil vom 30.
April 2009 (“Mellor”), festgehalten, “dass Dritte, sich vergewissern können
müssen, dass die zuständige Behörde nach den im nationalen Recht vorgesehenen
Bestimmungen geprüft hat, ob eine UVP erforderlich ist. Betroffene
Einzelpersonen müssen in der Lage sein, die Einhaltung dieser Prüfungspflicht,
gegebenenfalls gerichtlich nachprüfen zu lassen. Diese Auffassung hat der EuGH
im Urteil vom 16. Februar 2012 (“Solvay”)
bestätigt. In einem weiteren Urteil vom 11.
April 2013 “Edwards und Pallikaropoulos” verwies der EuGH auf das in Art.
10a Abs. 3 der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei
bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (jetzt Art. 11 der Richtlinie
2011/92) vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit
“einen weiten Zugang zu den Gerichten” zu gewähren.
EuGH 11.04.2013, Rs C-260/11, Edwards und Pallikaropoulos
Begriff
der ‚nicht übermäßig teuren‘ gerichtlichen Verfahren nach UVP-RL
Anlässlich eines vom englischen Supreme Court
eingereichten Vorabentscheidungsersuchen gem Art. 267 AEUV hatte sich der
Gerichtshof mit der Frage der Auslegung des Begriffs der „nicht übermäßig
teuren“ gerichtlichen Verfahren auseinanderzusetzen und kam zu folgenden
Ergebnissen:
1. „Das
in Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni
1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und
privaten Projekten und in Art. 15a Abs. 5 der Richtlinie 96/61/EG des
Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung
der Umweltverschmutzung in der jeweils durch die Richtlinie 2003/35/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung
vorgesehene Erfordernis, wonach das gerichtliche Verfahren nicht übermäßig
teuer sein darf, verlangt, dass die in diesen Bestimmungen genannten
Personen nicht aufgrund der daraus möglicherweise resultierenden
finanziellen Belastung daran gehindert werden, einen gerichtlichen
Rechtsbehelf, der in den Anwendungsbereich dieser Artikel fällt, einzulegen
oder weiterzuverfolgen. Hat ein nationales Gericht über die Verurteilung eines
Einzelnen zur Tragung der Kosten zu befinden, der als Kläger in einem
Rechtsstreit in einer Umweltangelegenheit unterlegen ist, oder hat es, wie dies
bei den Gerichten des Vereinigten Königreichs der Fall sein kann, allgemein in
einem früheren Abschnitt des Verfahrens zu einer möglichen Begrenzung der
Kosten, zu denen die unterlegene Partei verurteilt werden kann, Stellung zu
nehmen, so muss es dafür Sorge tragen, dass dieses Erfordernis eingehalten
wird, wobei es sowohl das Interesse der Person, die ihre Rechte verteidigen
möchte, berücksichtigen muss als auch das mit dem Umweltschutz verbundene
Allgemeininteresse.
2.) Im
Rahmen dieser Beurteilung darf sich der nationale Richter nicht allein auf die
wirtschaftliche Lage des Betroffenen stützen, sondern muss auch eine objektive
Analyse der Höhe der Kosten vornehmen. Darüber hinaus kann er die Lage der
betroffenen Parteien, die begründeten Erfolgsaussichten des Klägers, die
Bedeutung des Rechtsstreits für diesen sowie für den Umweltschutz, die
Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens, den
möglicherweise mutwilligen Charakter des Rechtsbehelfs in seinen verschiedenen
Verfahrensabschnitten sowie das Vorhandensein eines nationalen Prozesskostenhilfesystems
oder einer Kostenschutzregelung berücksichtigen.
3.)
Dagegen reicht der Umstand, dass der Betroffene sich tatsächlich nicht von
seiner Klage hat abschrecken lassen, für sich allein nicht für die Annahme aus,
dass das Verfahren für ihn nicht übermäßig teuer ist.
4.) Schließlich darf diese Beurteilung nicht in
Abhängigkeit davon, ob sie im Anschluss an ein erstinstanzliches Verfahren, an
eine Rechtsmittelinstanz oder an eine weitere Rechtsmittelinstanz erfolgt, nach
unterschiedlichen Kriterien vorgenommen werden.“
EuGH 07.11.2013, C-72/12 (Gemeinde Altrip ua)
Wesentlichkeitsprüfung bei UVP-VerfahrensmängelnIm Vorabentscheidungsersuchen betreffend die ÖB-RL (RL 2003/35/EG, ABl L 156, S. 17) sowie des Art 10a der UVP-RL (RL 85/337/EWG, ABl. L 175, S. 40) nunmehr Art 11 UVP-RL (idF RL 2011/92/EU) sowie Art 9 der Aarhus-Konvention hatte sich der Gerichthof mit der zeitlichen Geltung der RL, den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage, mit der Art des Verfahrensfehlers, der geltend gemacht werden kann und den Umfang der Nachprüfung auseinanderzusetzen und kam zu folgendem Schluss:
„1. Die in der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, mit der Art. 10a in die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten eingefügt wurde, vorgesehene Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni 2005 ist dahin auszulegen, dass die zur Umsetzung des genannten Artikels ergangenen Vorschriften des nationalen Rechts auch für behördliche Genehmigungsverfahren gelten müssen, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden waren, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde.
2. Art. 10a der Richtlinie 85/337 in der
durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung (nunmehr Art 11 RL 2011/92/EU)
ist dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten daran hindert, die
Anwendbarkeit der zur Umsetzung dieses Artikels ergangenen Vorschriften auf den
Fall zu beschränken, dass die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung aufgrund des
Unterbleibens einer Umweltverträglichkeitsprüfung angefochten wird, und nicht
auf den Fall zu erstrecken, dass eine solche Prüfung zwar durchgeführt wurde,
aber fehlerhaft war.
3. Art. 10a Buchst. b der
Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung ist
dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung nicht entgegensteht,
nach der keine Rechtsverletzung im Sinne dieses Artikels vorliegt, wenn nach
den Umständen des konkreten Falls nachweislich die Möglichkeit besteht, dass
die angegriffene Entscheidung ohne den vom Rechtsbehelfsführer geltend
gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre. Dies ist jedoch nur
dann der Fall, wenn das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht oder die mit ihm
befasste Stelle dem Rechtsbehelfsführer insoweit in keiner Form die Beweislast
aufbürdet und gegebenenfalls anhand der vom Bauherrn oder von den zuständigen
Behörden vorgelegten Beweise und allgemeiner der gesamten dem Gericht oder der
Stelle vorliegenden Akte entscheidet. Dabei ist u. a. der Schweregrad des
geltend gemachten Fehlers zu berücksichtigen und insbesondere zu prüfen, ob
dieser Fehler der betroffenen Öffentlichkeit eine der Garantien genommen hat,
die geschaffen wurden, um ihr im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 85/337
Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess zu
ermöglichen.“SCHLUSSANTRÄGE des Generalanwalts vom 27.02. 2014 betreffend NATURA 2000 / Beurteilung von Ausgleichsmaßnahmen
Rechtssache C‑521/12 T. C. Briels u. a. gegen Minister van Infrastructuur en Milieu
1. Wird ein vorhandenes Areal eines geschützten natürlichen Lebensraumtyps in einem Natura-2000-Gebiet durch ein Projekt beeinträchtigt, das die Schaffung einer neuen (gleich großen oder größeren) Fläche dieses Lebensraumtyps an einer anderen Stelle in dem Gebiet vorsieht, ist davon auszugehen, dass das Gebiet als solches im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen beeinträchtigt ist. Folglich darf das Projekt nicht nach Maßgabe dieser Bestimmung genehmigt werden.
2. Unter diesen
Umständen kann die Schaffung der neuen Fläche als Ausgleichsmaßnahme im Sinne
von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie angesehen werden, sofern sie in
spezifischem Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Projekt steht und sonst
nicht im Rahmen der üblichen nach Art. 6 Abs. 1 oder 2
vorgeschriebenen Bewirtschaftung des Gebiets durchgeführt worden wäre. In diesem
Fall darf das Projekt durchgeführt werden, sofern alle Voraussetzungen und
Erfordernisse des Art. 6 Abs. 4 erfüllt sind.
EuGH 27. 03. 2014, C-300/13
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad
Valenciana - Spanien) – Ayuntamiento de Benferri / Consejería de Infraestructuras
y Transporte, Iberdrola Distribución Eléctrica SAU
Erweiterung einer Umspannanlage ist
nicht UVP-pflichtig
Diee Bestimmungen von Anhang I Nr. 20 und Anhang II Nr. 3 Buchst. b der
Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung
bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie
97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 geänderten Fassung sind dahin auszulegen,
dass ein Vorhaben wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das nur die Erweiterung einer Umspannanlage
betrifft, nicht als solches unter die von diesen Bestimmungen erfassten
Vorhaben fällt, sofern diese Erweiterung nicht in Zusammenhang mit der
Errichtung von Freileitungen zur Übertragung elektrischer Energie steht, was
das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
EuGH
3. 4. 2014, C-301/12
betreffend
ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di
Stato (Italien) mit Entscheidung vom 29. Mai 2012, beim Gerichtshof eingegangen
am 20. Juni 2012, in dem Verfahren
Cascina
Tre Pini Ss (NATURA 2000) / Anflutung
eines Europaschutzgebietes
1. Art. 4 Abs. 1, Art. 9 und Art.
11 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der
natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen sind dahin
auszulegen, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet
sind, der Europäischen Kommission die Aufhebung der Klassifizierung eines in
die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommenen Gebiets
vorzuschlagen, wenn sie mit einem Antrag des Eigentümers eines in diesem Gebiet
gelegenen Grundstücks befasst worden sind, mit dem die ökologische Schädigung
des Gebiets geltend gemacht wird, sofern dieser Antrag damit begründet wird,
dass das genannte Gebiet trotz der Beachtung von Art. 6 Abs. 2 bis 4 der
Richtlinie endgültig nicht mehr zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie
der wildlebenden Tiere und Pflanzen oder zur Errichtung des Netzes Natura 2000
beitragen kann.
2. Art. 4 Abs. 1, Art. 9 und Art.
11 der Richtlinie 92/43/EWG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen
Regelung nicht entgegenstehen, die die Befugnis, die Anpassung der Liste der
Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung vorzuschlagen, allein den
Gebietskörperschaften überträgt und nicht – zumindest ersatzweise im Fall ihrer
Untätigkeit – dem Staat, soweit diese Zuständigkeitsverteilung die
ordnungsgemäße Anwendung der Vorschriften der Richtlinie gewährleistet.
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