Dem am UVP-Recht Interessierten ist ein regelmäßiger Blick auf die Amtstafel des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) zu empfehlen. Dort werden nämlich alle in Erfüllung der gesetzlichen Veröffentlichungspflicht nach dem UVP-G kundzumachenden Entscheidungen des BVwG veröffentlicht.
Zuletzt hatte sich das BVwG wieder vermehrt mit der Frage der Antrags- und Rechtsmittelbefugnis in UVP-Feststellungsverfahren zu beschäftigen. Aktuell findet man auf der Amtstafel drei Entscheidungen zu diesem Thema:
Verfahren zum Antrag des Kurt RADAKOWITSCH auf UVP-Feststellung
Zucht- und Mastschweineanlage Oberschwarza, Feststellungsverfahren zur UVP-Pflicht
Biomasse-Heizkraftwerk Klagenfurt, Feststellung der UVP-Pflicht, Säumnisbeschwerde
Erkenntnis vom 11.02.2015, GZ: W104 2016940-1/3EIn den beiden zuerst genannten Fällen ging es u.a. um die Frage, ob Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren nach der nationalen Rechtslage Parteistellung haben oder sogar antragslegitimiert sind. Hier bleibt das BVwG auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, dass dies auf Grund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 und der (bisherigen) ständigen Judikatur des VwGH zu verneinen ist (VwGH 28.06.2005, 2004/05/0032; VwGH 27.09.2007, 2006/07/0066; VwGH 22.04.2009, 2009/04/0019).
Allerdings lässt das BVwG die Revision gegen seine Entscheidungen zu und begründet dies damit, dass in Zweifel gezogen werden könnte, ob der VwGH seine bisherige Rsp fortführen wird.
Begründend wird auf den Beschluss des VwGH vom 16.10.2013, Zl. 2012/04/0040, verwiesen, mit dem der VwGH dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ob ein negativer UVP-Feststellungsbescheid gegenüber Nachbarn Bindungswirkung hat, sowie weiters auf den Beschluss des VwGH vom 30.01.2014, Zl. 2010/05/0173, betreffend die Aussetzung eines Verfahrens über einen negativen UVP-Feststellungsbescheid bis zur Entscheidung des EuGH. Somit könne vom Vorliegen einer eindeutigen Rechtsprechung angesichts dieser Entwicklung nicht mehr ausgegangen werden, weshalb die Revision zuzulassen gewesen sei.
Im Fall Biomasse-HKW Klagenfurt ging es nicht um einen Nachbarantrag, sondern um den Antrag einer Umweltorganisation, die bei der Kärntner Landesregierung als UVP-Behörde die Feststellung der UVP-Pflicht eines ohne vorangegangenes Feststellungsverfahren gewerbebehördlich verhandelten und genehmigten Heizkraftwerkes beantragt hatte.
Die Landesregierung hatte der Umweltorganisation in Beantwortung ihres auf § 3 Abs 7 UVP-G gestützten Antrages die "Rechtsauskunft" erteilt, dass ihr kein Antragsrecht auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens zukomme. Das ÖKOBÜRO als Antragsteller wartete daraufhin ab, bis mehr als sechs Monate vergangen waren, und wandte sich mit einer Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG an das Bundesverwaltungsgericht.
Dieses traf eine überraschende Entscheidung zugunsten des ÖKOBÜROs:
"Die beschwerdeführende Partei ist zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt. Die Behörde hat gemäß § 28 Abs. 7 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG) i.V.m. § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) binnen sechs Wochen einen Bescheid darüber zu erlassen, ob für das Vorhaben der Errichtung und des Betriebes eines biomassebefeuerten Heizkraftwerks für die Erzeugung von Fernwärme und elektrischem Strom am Standort 9020 Klagenfurt, Gst. Nr. 1559/9 KG Hörtendorf, durch die Bioenergiezentrum GmbH eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist. Sie ist dabei an die in diesem Erkenntnisses festgelegte Rechtsanschauung gebunden."
Das BVwG sah in seiner Entscheidungsbegründung eine Regelungslücke im UVP-G, weil dieses den Umweltorganisationen (UO) zwar die Bekämpfung negativer Feststellungsbescheide ermöglicht, aber kein Recht einräumt, ihrerseits ein Feststellungsverfahren zu initiieren. Unterbleibt die Durchführung eines solchen UVP-Prüfverfahrens, sei das Beschwerderecht der UO gegen (negative) Feststellungsbescheide nach § 3 Abs 7a UVP-G ein "nudum ius".
Die Revisionswerber führen dagegen ins Treffen, dass es sich um eine "bewusste Lücke" handle, weil der Gesetzgeber die UO gerade nicht am verwaltungsbehördlichen Feststellungsverfahren beteiligen wollte und ihnen bewusst nur das unionsrechtlich gebotene (Art 11 UVP-RL) Beschwerderecht gegen negative UVP-Feststellungen eingeräumt hat.
Auch durch die UVP-Richtlinie sei ein Antragsrecht an die UVP-Behörde nicht notwendigerweise geboten, wie sich auch aus den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott im Vorabentscheidungsverfahren Karoline Gruber ableiten lasse (vgl dazu meinen Artikel Schlussanträge-im-Fall-Karoline-Gruber).
Die Umweltorganisationen könnten ihre Argumente für eine UVP-Pflicht daher in einer Beschwerde gegen die gewerbebehördliche Genehmigung vorbringen. Dieses Recht sei ihnen - auch wenn es sich nicht um ein IPPC-Betriebsanlagenverfahren handelt, in dem UO aufgrund der Aarhus Konvention Parteistellung haben - einzuräumen, ähnlich wie die Nachbarn in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach der GewO ebenfalls einwenden können, dass die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens nicht gegeben wären. Stichwort: "potentielle Parteien".
Dass eine solche Auslegung geboten ist, kann vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH vom 8.3.2011 in der Rs C-240/09 Slowakischer Braunbär, die eine rechtsschutzfreundliche Auslegung des nationalen Verfahrensrechts fordert, kaum bezweifelt werden. Auch wenn das nationale Verfahrensrecht eine Klagebefugnis von Umweltorganisationen gegen gewerbebehördliche Genehmigungen mit möglichem UVP-Bezug nicht ausdrücklich vorsieht, muss man ihnen eine solche wohl zugestehen, um den Anforderungen des Art 9 Abs 3 der Aarhus Konvention Genüge zu tun (vgl ähnlich das deutsche BVerwG 7 C 21.12 vom 05.09.2013).
Die sogenannte dritte Säule der Konvention sieht nämlich vor, dass
"Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen."Diese Bestimmung bezieht sich - anders als Art 9 Abs 2 der Aarhus Konvention - nicht nur auf die im Art 6 der Konvention genannten Verfahren, die "Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten" betreffen (nämlich - kurz gesagt - UVP- und IPPC-pflichtige Vorhaben), sondern erfasst offenbar viel mehr.
Wo die Grenze liegt, ist offen - dass aber jedenfalls ein Recht von UO bestehen muss, die Unterlassung einer möglicherweise notwendigen UVP einzuwenden, ist meines Erachtens nicht mehr zweifelhaft.
Dass dies allerdings nur durch Ermöglichung eines eigenen Feststellungsantrages an die UVP-Behörde geschehen könnte, wie es das BVwG gesehen hat, trifft jedoch nicht zu!
Bei Wahrung des Grundsatzes der innerstaatlichen Verfahrensautonomie muss es ausreichen, die durch die Gewerbebehörde inzident verneinte UVP-Pflicht mit Beschwerde bekämpfen zu können; die Einführung eines eigenen Feststellungsantrags-Rechtes an UO ist nicht erforderlich.
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