Montag, 13. April 2015

Höchstgerichtliche Entscheidungen zur UVP im zweiten Halbjahr 2014

VfGH E 1230/2014 vom  3.12.2014
Gemäß § 40 Abs 1 UVP-G 2000 iVm Art 131 Abs 4 Z 2 lit a B-VG iVm § 40 UVP-G entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen, die nach dem UVP-G 2000 getroffen wurden. Führt ein Landesverwaltungsgericht ab dem 1.1.2014 ein ursprünglich beim UVS anhängig gewesenes Berufungsverfahren betreffend die Genehmigung einer Aufforstung im Zusammenhang mit einem UVP-pflichtigen Bundesstraßenvorhaben gem § 3 Abs 7 Z 1 VwGbk-ÜG weiter und entscheidet das LVwG über die Berufung einer Bürgerinitiative gem § 24f Abs 8 iVm § 19 Abs 4 UVP-G, so ist dies ein Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

VwGH Ra 2014/07/0002 vom 18.12.2014
Die durch ein anhängiges Widerstreitverfahren bewirkte (oder ermöglichte) Aussetzung aller Bewilligungsverfahren wird mit dem das Widerstreitverfahren entscheidenden Bescheid beendet; an ihre Stelle tritt in Bezug auf die nicht bevorzugten Vorhaben ein Genehmigungshindernis, an welches auch die UVP-Behörde gebunden ist (vgl VwGH 18.12.2014, Ro 2014/07/0033).

VwGH 2011/07/0244 vom 20.11.2014
Die UVP-Behörde kann - neben den ausdrücklichen Verweisen auf § 44b Abs. 2 zweiter bis vierter Satz AVG (in § 9 Abs 1 UVP-G 2000) und auf § 44a Abs 3 AVG (in § 9 Abs 3 UVP-G 2000) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - meist parallel zur öffentlichen Auflage - auch die Bestimmungen über das Großverfahren anwenden. Die Anwendung der Bestimmungen der §§ 44a ff AVG über das Großverfahren stand auch dem Umweltsenat zu. Im Anwendungsbereich des AVG ergänzt das Berufungsverfahren das vorinstanzliche Verfahren lediglich (vgl § 66 Abs 1 AVG) und bildet nur einen Teil des Verfahrens, das Grundlage für die Entscheidung der Berufungsbehörde ist. Vor diesem Hintergrund war es nicht erforderlich, dass die Beh, die im Berufungsverfahren Zustellungen nach den §§ 44a ff AVG durchführte, eine Kundmachung durch Edikt vornahm, das sämtliche in § 44a Abs 2 AVG normierten Inhalte zu enthalten hätte. So wäre etwa in diesem Verfahrensstadium die erneute Kundmachung des verfahrenseinleitenden Antrages durch Edikt, obwohl dies bereits von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommen worden war, nicht nachvollziehbar. Aber auch ein wiederholender Hinweis, dass auch (zukünftige) Kundmachungen und Zustellungen im Verfahren durch Edikt vorgenommen werden können, war in einem Edikt der Berufungsbeh nicht erforderlich. Vielmehr konnte im durchgeführten Verfahren von einer "Fortwirkung" des Edikts zur Kundmachung des Genehmigungsantrages auch im Berufungsverfahren ausgegangen werden.

VwGH 2013/05/0022 vom 18.11.2014
Aus Art 10a der Vorgängerrichtlinie 85/337/EWG (bzw. nunmehr: Art 11 der UVP-RL, 2011/92/EU) kann eine umfassende Parteistellung anerkannter Umweltorganisationen auch im Rahmen von Feststellungsverfahren nicht abgeleitet werden. Zunächst ist zur Frage der Parteistellung anerkannter Umweltorganisationen in Verfahren gemäß § 3 Abs 7 UVP-G 2000 auf die bisherige Judikatur zu verweisen, wonach in diesen Verfahren lediglich dem Projektwerber, den mitwirkenden Behörden, dem Umweltanwalt und der Standortgemeinde - und nicht auch anerkannten Umweltorganisationen - Parteistellung zukommt (VwGH 14.12.2004, 2004/05/0256, mwN). Wenn sich in Bezug auf diese Norm im Hinblick auf das Urteil, C-75/08 (Mellor), unionsrechtliche Bedenken ergeben haben (vgl den B des VwGH vom 16. 10. 2013, 2012/04/0040), so können diese auf den vorliegenden Beschwerdefall schon deshalb nicht übertragen werden, weil sie neben einer fehlenden Parteistellung im Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs 7 UVP-G auch das Fehlen einer Anfechtungsbefugnis (Antragsbefugnis) im Sinn des § 3 Abs 7a leg cit voraussetzen. Eine solche Anfechtungsbefugnis durch Stellung eines Antrages auf Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften über die UVP-Pflicht hat der Gesetzgeber jedoch mit § 3 Abs 7a leg cit anerkannten Umweltorganisationen eingeräumt, was den Gesetzesmaterialien (RV 1809 BlgNR 24. GP 5) zufolge ua der Abwendung einer Klage der Europäischen Kommission an den EuGH diente. Mit dem nunmehr vorgesehenen Antragsrecht auf Überprüfung bei negativen Feststellungsbescheiden - so die Gesetzesmaterialien - wird der Auffassung der Europäischen Kommission Rechnung getragen, weil Umweltorganisationen durch eine negative Feststellungsentscheidung in ihren Rechten verletzt sein können.

VwGH 2012/03/0112 vom 21.10.2014
Die gesetzliche Anordnung in § 19 Abs 3 UVP-G 2000, dass die dort genannten Formalparteien die (von ihnen jeweils wahrzunehmenden) öffentlichen Interessen als subjektive Rechte geltend machen, bedeutet, dass diese Formalparteien auch die für die Geltendmachung subjektiver öffentlicher Rechte geltenden verfahrensrechtlichen Regelungen zu beachten haben und insofern auch der in § 44b AVG normierten Präklusionsregelung unterliegen. Auch für den Umweltanwalt gilt daher die Präklusionsregelung. Dass der Umweltanwalt den Präklusionsfolgen des § 44b Abs 1 UVP-G 2000 unterliegt, steht im Einklang mit der aus den Materialien zur AVG-Novelle BGBl I Nr 158/1998 (vgl AB 1167 BlgNR XX. GP, Seite 24) ersichtlichen Zielsetzung, die hinter der Schaffung der Bestimmungen über Großverfahren gestanden hat, wonach mit dieser Novellierung der Behörde die Möglichkeit an die Hand gegeben werde, die Einwendungen gegen das Vorhaben bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung zu sammeln, damit sie die Verhandlung besser vorbereiten und allfällige ergänzende Sachverständigengutachten frühzeitig einholen könne.

VwGH 2013/05/0078 vom  9.10.2014
Dass von Starkstromfreileitungen für eine Stromstärke von 110 kV im Allgemeinen eine geringere Umweltbelastung ausgeht als von solchen mit einer Stromstärke von 220 kV (oder mehr) und somit die Stromstärke einer Starkstromfreileitung ein relevantes Abgrenzungskriterium bei der Festlegung von Schwellenwerten im Zusammenhang mit dem Bau von Stromleitungen darstellt, hat der Richtliniengeber durch die Normierung des Tatbestandes in Anhang I Z. 20 der UVP-RL klar zum Ausdruck gebracht. Durch die Festlegung ökologisch besonders sensibler Gebiete im Anhang 2 des UVP-G hat der Bundesgesetzgeber auch dem Erfordernis entsprochen, auf die Belastbarkeit der Natur Rücksicht zu nehmen. Dass vom gegenständlichen Projekt etwa Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte betroffen wären (vgl dazu das Urteil des EuGH 21.3.2012, C-244/12 Salzburger Flughafen), ist nicht zu erkennen und wird von der Beschwerde auch nicht behauptet. Der bloße Umstand, dass zur Herstellung der Hochspannungsfreileitung in einem bewaldeten Gebiet Rodungen oder Geländeveränderungen erforderlich sind, bewirkt für sich allein noch nicht, dass dies die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP bzw. einer Einzelfalluntersuchung zur Folge hätte, wäre doch den Mitgliedstaaten ansonsten insoweit der in Art. 4 Abs. 2 der UVP-RL eingeräumte Wertungsspielraum genommen.

VwGH 2012/03/0165 vom 24.9.2014
Es ist nach der Rsp des VwGH (Erk 28.6.2005, 2003/05/0091; 30.6.2006, 2005/04/0195; 19.1.2010, 2008/05/0162) für die Frage der Bindungswirkung eines auf § 3 Abs 7 UVP-G 2000 beruhenden Feststellungsbescheides zu prüfen, ob jenes Vorhaben, das einem derartigen Feststellungsverfahren unterzogen wurde, mit jenem Vorhaben, das (bei Verneinung einer UVP-Pflicht) gemäß den entsprechenden Materiengesetzen zur Genehmigung eingereicht wurde, hinsichtlich jener Punkte, die für die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung relevant sind, ident ist. Eine derartige Identität könnte insbesondere dann verneint werden, wenn etwa die Lage des Vorhabens so verändert wurde, dass die umweltrelevanten Auswirkungen anders zu beurteilen wären. Die Bindungswirkung findet jedenfalls dort ihre Grenze, wo ein Vorhaben derart modifiziert wird, dass es hinsichtlich der für die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung maßgeblichen Punkte nicht mehr mit dem ursprünglichen Vorhaben übereinstimmt.

VwGH 2012/10/0088 vom 12.8.2014
Mit § 24f Abs 3 erster Satz UVP-G 2000 wird eine Pflicht zur Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt, nicht aber eine Bindung an diese.

VwGH 2011/07/0214 vom 24.7.2014
Voraussetzung für die Durchführung einer Einzelfallprüfung nach § 3 Abs 2 UVP-G 2000 ist, dass das geplante Vorhaben (hier: Wasserkraftwerk) mit anderen Kraftwerksvorhaben in einem räumlichen Zusammenhang steht (Kumulation). Die Beurteilung, ob einzelne Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang zueinander stehen, ist einzelfallbezogen durchzuführen. Maßgeblich ist, ob es durch die verschiedenen Eingriffe gleichartiger Vorhaben zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe im Sinne kumulativer und additiver Effekte kommen kann. Entscheidend ist jener Bereich, in dem sich die maßgeblichen Umweltauswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben erwartungsgemäß überlagern werden. Dabei sind nicht fixe geographische Parameter ausschlaggebend. Der räumliche Zusammenhang ist vielmehr schutzgutbezogen zu beurteilen; dieser wird je nach Vorhaben und Schutzgut unterschiedlich weit sein. Kann es zu einer derartigen Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe im Sinne kumulativer Effekte jedoch nicht kommen und liegt somit kein räumlicher Zusammenhang vor, so sind die Voraussetzungen für die Durchführung einer Einzelfallprüfung nicht gegeben.
Die abgestimmte Betriebsweise eines Kraftwerkes mit den Oberliegerkraftwerken sagt als solche nichts darüber aus, ob ein räumlicher Zusammenhang gegeben ist oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob es durch Eingriffe dieses Kraftwerkes und der bestehenden Kraftwerke zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe im Sinne kumulativer und additiver Effekte kommen kann. Das Umsetzen einer abgestimmten Betriebsweise hat aber gerade nichts mit einer Überlagerung von Wirkungsebenen etwaiger Eingriffe zu tun: Es geht dabei ausschließlich darum, dass sich Kraftwerke, welche sich in einem Fluss befinden, hinsichtlich ihrer Betriebsvorschriften und Wehrbetriebsordnungen aufeinander abstimmen. Dies trägt für sich genommen noch gar nichts zur Beantwortung der Frage bei, ob sich die maßgeblichen Umweltauswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben erwartungsgemäß überlagern würden. Ein solches Verständnis des an sich "restriktiv" auszulegenden Kumulierungstatbestandes des § 3 Abs 2 UVP-G (vgl die Begründung des Initiativantrages 168 BlgNR XXI. GP, B. Besonderer Teil, zu § 3) ist dem Gesetz nicht zu unterstellen.
Der Begriff der Kraftwerkskette hat einen durch Anhang 1 Z 30 UVP-G 2000 klar abgesteckten Bedeutungsinhalt, wonach darunter eine Aneinanderreihung von zwei oder mehreren Stauhaltungen zur Nutzung der Wasserkraft ohne dazwischenliegende freie Fließstrecke, berechnet auf Basis der Ausbauwassermenge, von zumindest 2 km Länge zu verstehen ist[i].

VwGH 2013/07/0215 vom 24.7.2014 (Murkraftwerk)
Im Rahmen der Alternativenprüfung nach § 6 Abs 1 Z 2 UVP-G 2000 sind vor allem Standortvarianten zu untersuchen. Nicht zu prüfen sind alternative umweltpolitische Gesamtkonzepte und gesamtstaatliche Fragen des Umweltschutzes, wie zB die Nutzung von Wind- statt Wasserkraft zur Energiegewinnung. Ebenso ist in diesem Rahmen nicht zu untersuchen, ob ein Vorhaben etwa bei einer konsequenten Energiesparpolitik vermeidbar wäre.
Der VwGH hat bei der Genehmigung unter Vorschreibung von Auflagen davon auszugehen, dass diese eingehalten werden; Gegenstand der Prüfung ist die konsensgemäße Umsetzung der Bewilligung, nicht die befürchtete Nichteinhaltung von Auflagen oder anderen Nebenbestimmungen (vgl VwGH 25.3.2010, 2008/05/0113;18. 12. 2012, 2011/07/0190). Gegenstand der Prüfung, ob die Verbotstatbestände des § 13d Abs 2 Stmk NSchG 1976 verwirklicht werden oder nicht, ist daher das vorliegende Projekt in der Form, in der es in die Realität umgesetzt werden wird, wobei zum Antrag und den vorgesehenen UVE-Maßnahmen die in die Bewilligung aufzunehmenden Auflagen hinzutreten, die ihrerseits die Anlage inhaltlich mitgestalten. Das Gleiche gilt für CEF-Maßnahmen (= vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen); auch ihre Wirkung ist in die Beurteilung einzubeziehen.

VwGH 2013/03/0062 vom  26.6.2014
Wurde in einem UVP-Verfahren vom BMVIT die wasserrechtliche Bewilligung zur Herstellung der Hochwasserfreiheit eines Deponiestandortes durch Verlegung eines Baches erteilt und wird darauf aufbauend eine Deponiegenehmigung erteilt, so baut dieser Genehmigungsbescheid untrennbar auf dem Ministerialbescheid auf. Infolge der Aufhebung dieses Bescheides (mit Erk 19. 12. 2013, 2011/03/0160, 0162, 0164, 0165) ist jenes Verfahren in das Stadium vor Bescheiderlassung zurückgetreten und es ist dem im abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren angefochtenen Bescheid die rechtliche Grundlage entzogen.
In einem UVP-Genehmigungsverfahren kann nicht gestützt auf § 39 Abs 1 Z 4 AWG 2002 argumentiert werden, dass die Eigentümer jener Grundstücke, auf denen eine Deponie für Aushubmaterial eines Eisenbahntunnels errichtet werden soll, der Errichtung der Deponie hätten zustimmen müssen. Gemäß § 24f Abs 6 UVP-G 2000 (idF vor der Nov BGBl I 2012/77) hatte die Behörde im gegenständlichen Verfahren grundsätzlich auch die Bestimmung des § 24f Abs 1a UVP-G 2000 zu beachten, wonach die Zustimmung Dritter insoweit keine Genehmigungsvoraussetzung ist, als für den betreffenden Teil des Vorhabens in einer Verwaltungsvorschrift die Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten vorgesehen ist.


[i] Nunmehr kommt es auf den – je nach der Größe des Flusses unterschiedlich langen – „ausreichenden Mindestabstand“ gemäß Anh 1 Z 30 FN 7 UVP-G an.

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