Das deutsche BVerwG hatte – ebenso wie der VwGH - bisher die
Präklusionsvorschriften für europarechtskonform gehalten (Beschluss vom
14.07.2011, Az. 9 A 12/10; Urteil vom
29.09.2011, Az. 7 C 21.09; siehe dazu auch
Berger,
RdU-U&T 2012/12). Die gegenteilige
Ansicht der Kommission, die u.a. deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen
die Bundesrepublik Deutschland führt, teilt nun der Generalanwalt in seinen
Schlussanträgen.
Der wesentliche Begründungsteil der Schlussanträge, die sich
außerdem u.a. mit der Frage der Relevanzprüfung bei Mängeln der UVP befassen (Rn
78 ff; auch insofern wird die der österreichischen Rechtslage ähnliche deutsche
Relevanzprüfung als unionsrechtswidrig angesehen; siehe auch schon das Urteil
des EuGH in der Rs C‑72/12, Altrip), lautet
wie folgt:
„113. Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im
Sinne der Richtlinie 2011/92 über die Öffentlichkeitsbeteiligung bzw. im Sinne
von Art. 24 der Richtlinie 2010/75 zum Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens
vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen
unabhängigen und unparteiischen Stelle zu machen, um ihre materiell-rechtliche
und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit anzufechten, ohne dass in irgendeiner
Weise die Gründe beschränkt wären, die zur Stützung eines entsprechenden Rechtsbehelfs
vorgebracht werden können.
114. § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG beschränken
jedoch eindeutig die Gründe, die ein Rechtsbehelfsführer zur Stützung eines
gerichtlichen Rechtsbehelfs vorbringen kann.
115. Zwar schließen Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92
und Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2010/75 die Möglichkeit eines vorausgehenden
Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lassen das
Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen
Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren
unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht
besteht, doch erlauben sie keineswegs, die Gründe zu beschränken, die ein
Rechtsbehelfsführer zur Stützung eines später eingelegten gerichtlichen
Rechtsbehelfs vorbringen kann.
116. Im Einklang mit der Stellungnahme der Kommission ist
festzustellen, dass gerichtliche Rechtsbehelfe eigenständig und vom
Verwaltungsverfahren und verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsbehelfen
unabhängig sind.
117. Dementsprechend bin ich der Meinung, dass die in Rede
stehenden nationalen Vorschriften für den Zugang zu den Gerichten eine
zusätzliche, in Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75
nicht vorgesehene Hürde errichten.
118. Diese zusätzliche Hürde lässt sich meines Erachtens
nicht aus Gründen der Rechtssicherheit rechtfertigen, da die Ausschlussfristen
für die gerichtliche Anfechtung von Entscheidungen der Verwaltungsbehörden hierfür
ausreichend sind.
119. Was das die Effizienz der Verwaltungsverfahren
betreffende Vorbringen angeht, trifft zwar zu, dass sich die Möglichkeit,
„Einwendungen“ erstmals im Zuge eines gerichtlichen Rechtsbehelfs zu erheben,
als „problematisch“ erweisen kann, doch genügt der Hinweis, dass das
eigentliche von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie
2010/75 verfolgte Ziel darin besteht, einen weiten Zugang zu Gerichten zu
gewähren. Der Unionsgesetzgeber hat diesem Ziel gegenüber der Effizienz der
Verwaltungsverfahren eindeutig den Vorrang gegeben, um zur Erhaltung, zum
Schutz und zur Verbesserung der Umweltqualität sowie zum Schutz der menschlichen
Gesundheit beizutragen.“
Wie in meinem Beitrag über die Präklusion in Rdu-UT
2012/12 ausgeführt, erschienen die Präklusionsregelungen der §§ 42, 44b AVG
und § 19 Abs 10 UVP-G als innerstaatliches Verfahrensrecht bisher durchaus als
im Einklang mit dem Unionsrecht stehend. Ein Widerspruch der Präklusionsregeln zum
unionsrechtlichen Effizienz- und Äquivalenzgrundsatz war nicht zu erkennen.
Nunmehr soll – so im Ergebnis der Generalanwalt - die auch
durch die Präklusion sichergestellte Durchführung von Genehmigungsverfahren in
effizienter Weise nachrangig gegenüber den Umweltinteressen sein. Das klingt
auf den ersten Blick gut, ignoriert aber, dass Umweltinteressen auch - oder
sogar besser - geschützt werden können, wenn Bedenken gegen ein Projekt frühzeitig
konkret geäußert und daher schon im Verwaltungsverfahren noch umfassender geprüft
werden, als es ohne diese Einwände möglicherweise der Fall gewese wäre. Durch die
Präklusion gewinnt auch der Projektwerber früher die gerade für Großprojekte
notwendige Rechtssicherheit für seine Investition.
Ob es damit nun vorbei ist, wird sich nun in den nächsten
Monaten beim EuGH
im Fall C-137/14 entscheiden.
Zukünftig könnte damit gerechnet werden, dass schon vor dem Ergehen dieser Entscheidung in UVP-Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht die Präklusionsregelungen vorsorglich nicht mehr angewendet werden, um eine mögliche Aufhebung des gefällten Erkenntnisses durch den VwGH nach dem Vorliegen des EuGH-Urteils zu vermeiden. Die inhaltliche Prüfung von an sich präkludierten Beschwerdegründen wäre im Interesse der Projektwerber, die an einem baldigen Verfahrensabschluss interessiert sind, immerhin jenem Vorgehen vorzuziehen, das das deutsche BVerwG in seiner Entscheidung vom 5.1. 2015 gewählt hat: in der Sache Az. 7 C 1/15 wurde eine Aussetzung eines Verfahrens vorgenommen, bis die Entscheidung des EuGH vorliegt.
Zukünftig könnte damit gerechnet werden, dass schon vor dem Ergehen dieser Entscheidung in UVP-Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht die Präklusionsregelungen vorsorglich nicht mehr angewendet werden, um eine mögliche Aufhebung des gefällten Erkenntnisses durch den VwGH nach dem Vorliegen des EuGH-Urteils zu vermeiden. Die inhaltliche Prüfung von an sich präkludierten Beschwerdegründen wäre im Interesse der Projektwerber, die an einem baldigen Verfahrensabschluss interessiert sind, immerhin jenem Vorgehen vorzuziehen, das das deutsche BVerwG in seiner Entscheidung vom 5.1. 2015 gewählt hat: in der Sache Az. 7 C 1/15 wurde eine Aussetzung eines Verfahrens vorgenommen, bis die Entscheidung des EuGH vorliegt.
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