Donnerstag, 4. April 2019

Rechtsprechung des VwGH zur Umweltverträglichkeitsprüfung 2017 - 2019

Genehmigungsfiktion des § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G
unionsrechtswidrig und daher nicht anwendbar

VwGH 26.01.2017, Ro 2014/07/0108 (Wiener Neustadt, ASA Abfall Service AG) 

Die Bestimmung des § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G 2000, die das Bestehen einer Bewilligung nach dem UVP-G 2000 für den Fall fingiert, in dem trotz bestanden habender UVP-Pflicht keine vorherige Genehmigung eingeholt wurde und eine stattdessen erteilte materiell-rechtliche Genehmigung (hier: nach dem AWG 1990) wegen Zeitablaufs von drei Jahren nicht mehr durch die Behörde vernichtet (für nichtig erklärt) werden kann, ohne Weiteres, dh ohne weitere inhaltliche Kriterien aufzustellen, erfüllt nicht die Voraussetzungen gemäß dem Urteil des EuGH vom 17. 11.  2016, C-348/15, für die Anwendbarkeit des Art 1 Abs 5 der RL 85/337. Unter Berücksichtigung des Inhaltes des Gesetzgebungsaktes und des Gesetzgebungsverfahrens (kurzfristig dem Nationalrat vorgelegter Änderungsantrag, kein Begutachtungsverfahren, keine parlamentarischen Debatten) ist kein anderer Schluss zulässig. Die Bestimmung des § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G 2000 führt daher nicht zum Ausschluss der von ihr erfassten Vorgänge vom Geltungsbereich der RL.
Auch im Hinblick auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes wäre eine nationale Vorschrift, wonach ein Vorhaben, dessen Genehmigung nicht mehr anfechtbar ist, weil die im nationalen Recht dafür vorgesehene Frist verstrichen ist, ohne Weiteres als im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung einer UVP rechtmäßig genehmigt gilt, nicht mit der RL vereinbar (vgl EuGH  C-348/15). Die Vorschrift des § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G 2000 ist daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar.


Zum Begriff der "Anlage" iSd UVP-G

VwGH 23. 2. 2017, Ra 2014/07/0012

Der Anlagenbegriff des § 2 Abs 5 zweiter Satz UVP-G ist im Zusammenhang mit dem umfassenden Begriff des "Vorhabens" iSd § 2 Abs 2 UVP-G zu sehen. Dieser weite Vorhabensbegriff des § 2 Abs 2 leg cit erfordert es, ein oder mehrere Projekt(e) in seiner (ihrer) Gesamtheit und unter Einbeziehung jener Anlagen und Anlagenteile, die für sich nicht UVP-pflichtig wären, zu beurteilen. Es können auch mobile Anlagen und Einrichtungen, wie etwa ortveränderliche Abfallbehandlungsanlagen, unter diesen weiten Begriff des Vorhabens fallen, wenn sich aus der Art und Dauer ihres Einsatzes ergibt, dass sie nicht bloß unerhebliche Umweltauswirkungen verursachen. Im Bewilligungsverfahren gilt der weite Vorhabensbegriff; dieses Verständnis ist auch auf die Beurteilung einer Tätigkeit an oder mit einem Teil dieser Anlage zu übertragen. Eine mobile Anlage, die in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit der UVP-Anlage steht, darf daher an dieser Stelle nur dann in Betrieb genommen werden, wenn eine UVP-Bewilligung erteilt wurde; die Existenz einer Bewilligung für die mobile Anlage allein reicht in diesem Fall nicht aus.


Zusammenhang von Bescheiden des BMVIT und des LH, 
Kundmachung im Großverfahren

VwGH 16. 3. 2017, Ro 2014/06/0038

Ausgehend von den Materialien zur UVP-G-Novelle 2004 (vgl AB 757 BlgNR 22. GP 4) kann nicht gesagt werden, dass der gemäß § 24 Abs 1 UVP-G zu erlassende Bescheid der BMVIT und der gemäß § 24 Abs 3 leg cit im weiteren teilkonzentrierten Verfahren zu erlassende Bescheid des LH (bzw ein diesbezüglicher Berufungsbescheid) unabhängig voneinander zu betrachten sind. Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung des Modells der teilkonzentrierten Genehmigungsverfahren für nach dem dritten Abschnitt des UVP-G zu genehmigende Vorhaben vielmehr von einem engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Bescheid der BMVIT einerseits und dem Bescheid des LH (bzw eines etwaigen Berufungsbescheides) andererseits ausgegangen. Angesichts dessen, dass fallbezogen die ASFINAG nach Aufhebung des UVP-Bescheides der BMVIT (durch das E vom 11. 12. 2012, 2011/06/0202) eine Änderung ihres ursprünglichen Antrages vornahm, deren wasserrechtliche Relevanz für das vorliegende Verfahren nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, wäre es Aufgabe des zuständigen BM gewesen, zu prüfen, ob die Antragsänderung Einfluss auf die gemäß § 24 Abs 1 UVP-G durchgeführte UVP (im engeren Sinn) haben kann, und bejahendenfalls die Ergebnisse der ergänzten UVP bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

§ 44a Abs 3 AVG, auf den § 9 Abs 3 UVP-G (der gemäß § 24 Abs 8 UVP-G auch im teilkonzentrierten Verfahren anwendbar ist) verweist, geht auf den Fall einer bundesländergrenzenüberschreitenden Beteiligung von Parteien an Verfahren, die von Behörden eines anderen Bundeslandes geführt werden, nicht ausdrücklich ein. Wenngleich das Gesetz nicht näher präzisiert, welches Bundesland mit der Wendung "im Bundesland weit verbreiteter Zeitungen" gemeint ist, legt schon die Verwendung des Singulars die Annahme nahe, dass jenes Bundesland, in dem das Vorhaben gelegen ist (und damit iVm § 24 UVP-G das Bundesland, dessen Landeshauptmann im Revisionsfall gemäß § 24 Abs 3 UVP-G zuständig war), gemeint ist.

Bei der Prüfung der ordnungsgemäßen Kundmachung des Edikts nach § 44a Abs 3 AVG ist grundsätzlich auf die Verbreitung der gewählten Tageszeitungen in jenem Bundesland, in dem das Vorhaben gelegen ist, abzustellen. Hätte der Gesetzgeber auf den Wohnsitz der betroffenen Parteien und die Berichterstattung für eine bestimmte Region abstellen wollen, hätte er dies im Wortlaut des § 44a AVG (oder in abweichenden Regelungen im UVP-G) zum Ausdruck bringen müssen. Eine ausdehnende Interpretation der Anordnung des § 44a Abs 3 AVG ist schon im Hinblick auf die Vielzahl der denkbaren Konstellationen, die sich im Hinblick auf den Wohnsitz von Parteien eines Verfahrens ergeben können, nicht angezeigt.


Anerkennungsbescheide von Umweltorganisationen sind keine Umweltinformation 

VwGH 30. 3. 2017, Ro 2017/07/0004

Anerkennungsbescheide gemäß § 19 Abs 7 UVP-G sind als "Verwaltungsmaßnahmen" anhand der Begriffsbestimmung des § 2 Z 3 UIG (in Umsetzung von Art 2 Z 1 lit c der Richtlinie 2003/4/EG) zu beurteilen, sodass für ihre mögliche Qualifikation als Umweltinformationen entscheidend ist, ob sich diese Verwaltungsakte auf die in § 2 Z 1 UIG genannten Umweltbestandteile oder die in § 2 Z 2 UIG genannten Umweltfaktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder dem Schutz dieser Umweltbestandteile und Umweltfaktoren dienen. Da Anerkennungsbescheide gemäß § 19 Abs 7 UVP-G keine Verwaltungsmaßnahmen darstellen, welche sich auf die maßgeblichen Umweltgüter iSd § 2 Z 1 und 2 UIG beeinträchtigend auswirken können, sondern einer Umweltorganisation - mit konstitutiver Wirkung - die Stellung als Formalpartei in Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G vermitteln, sind sie keine Umweltinformationen.


Umfang der Rechtskraft eines UVP-Feststellungsbescheides;
Pumpspeicherkraftwerk ist Wasserkraftanlage nach Anh 1 Z 30

VwGH 30. 3. 2017, Ro 2016/07/0015

Die Rechtskraft eines Feststellungsbescheids gilt immer nur für den entschiedenen Sachverhalt, dh für eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage. Bei der Beurteilung der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides nach § 3 Abs 7 UVP-G ist maßgeblich, ob das Vorhaben mit dem im Feststellungsverfahren gegenständlichen Projekt hinsichtlich der für die Beurteilung der UVP-Pflicht relevanten Punkte identisch ist.

Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist. Das gilt auch für Feststellungsbescheide nach dem UVP-G.

Der Vorhabensbegriff des UVP-G umfasst - dem Grundsatz der Einheit der Anlage folgend - das gesamte zu verwirklichende Projekt, das auch alle damit in sachlichem und räumlichem Zusammenhang stehende Maßnahmen miteinschließt. Der Vorhabensbegriff ist auch für die Auslegung der Tatbestände des Anhangs 1 UVP-G relevant, soweit das UVP-G auslegungsbedürftige Begriffe verwendet. 

Steht eine Maßnahme mit dem Vorhaben in einem untrennbaren technischen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang, so sie ist als Teil des Projekts bei der Beurteilung, ob das Vorhaben UVP-pflichtig ist, zu berücksichtigen.

Im Fall der Umstellung eines Staubetriebs auf einen Pumpbetrieb (Pumpspeicherwerk) liegt unverändert eine Wasserkraftanlage vor. Eine derartige Anlage ist nicht nach Z 31, sondern nach Z 30 des Anh 1 des UVP-G zu beurteilen, weil weiterhin (dh nach der Umstellung) eine Wasserkraftanlage vorliegt und die projektierte Speicherung des Wassers zur Energiegewinnung erfolgt (vgl VwGH 15. 9. 2011, 2008/07/0098; in diesem Fall war eine [dauerhafte] Ausleitung gegeben).

Da die Bestimmung der Z 30 Spalte 1 lit a des Anh 1 hinsichtlich einer Ausleitung nicht differenziert, ob diese dauerhaft sein muss oder ob eine bloß temporäre Ausleitung ausreichend für die UVP-Pflicht ist (vgl AB 271 BlgNR 24. GP 15) und auch im Fall einer temporären Ausleitung jede dadurch hervorgerufene Veränderung eines Gewässers eine schwerwiegende ökologische Auswirkung haben kann, werden unter Ausleitungen sämtliche Vorrichtungen zur Entnahme von Wasser aus einem Fließgewässer verstanden, unabhängig von der Art der Entnahme bzw der Art der Wassernutzung. Im Fall einer Ausleitung aus einem Bach in der Dauer von über zwei Jahren tritt der vorübergehende (temporäre) Aspekt in den Hintergrund.

Bei Pumpspeicherkraftwerken verhindert der Umstand, dass der erzeugten Elektrizität ein Stromverbrauch für das Hochpumpen des Wassers gegenübersteht, nicht die Erfüllung des Tatbestandes der Wasserkraftanlagen, sodass eine UVP-Pflicht nach Z 30 des Anh 1 UVP-G ab dem jeweiligen Schwellenwert eingreift. Dabei ist aber ein Stau eines Gewässers oder eine Ausleitung aus einem Gewässer vorausgesetzt.


Gegenstand des UVP-Feststellungsverfahrens, Einheit des Vorhabens, Zuständigkeit

VwGH 29. 3. 2017, Ro 2015/05/0022

Was unter einem Vorhaben im Sinne des UVP-G zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 Abs 2 UVP-G. § 2 Abs 5 UVP-G ist hingegen diesbezüglich nicht maßgebend, da diese Bestimmung nur den Begriff der Kapazität regelt und schon seinem Wortlaut nach die "Anlage" nur "in diesem Zusammenhang" definiert.

Nach § 2 Abs 2 UVP-G beschränkt sich das zu prüfende Vorhaben nicht auf die jeweilige "technische Anlage", sondern umfasst auch alle mit dieser in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen. 

Räumlich zusammenhängende Projekte sind als Einheit und somit als ein Vorhaben dann anzusehen, wenn sie in einem engen funktionellen Zusammenhang stehen, sei es, dass durch ihre kumulative Wirkung Schwellenwerte oder Kriterien von Vorhaben des Anh 1 des UVP-G erreicht bzw erfüllt werden, sei es, dass die Verwirklichung des einen Vorhabensteils die Verwirklichung des anderen erfordert.

Keinesfalls können Ländergrenzen bewirken, dass die Einheit eines Vorhabens in UVP-rechtlicher Hinsicht nicht mehr gegeben wäre, zumal nicht einmal Staatsgrenzen diese in Frage stellen können, wobei es keine Rolle spielt, wenn der in einem Mitgliedsstaat gelegene Teil des Projektes seinerseits die Kriterien für die Notwendigkeit der Durchführung einer UVP nicht erfüllt.

Ein für sich nicht UVP-pflichtiges Vorhaben bildet dann keine Einheit mit einem anderen Projekt, wenn es (auch) einen mit jenem nicht zusammenhängenden Zweck verfolgt und keinen engeren Zusammenhang mit jenem aufweist, als er bei bloßen, nicht UVP-pflichtigen Vorarbeiten zu sehen ist (vgl VwGH 17. 8. 2010, 2009/06/0019, mwN).

Hinsichtlich der Frage, ob die Einheit des Vorhabens in UVP-rechtlicher Hinsicht gegeben ist, ist es von Bedeutung, dass der Windpark seinem bestimmungsgemäßen Zweck nach eine Anschlussleitung zu einem Umspannwerk aufweist. Das gegenständliche Vorhaben ist daher sowohl mit seinem Teil der Windkraftanlage als auch mit jenem der Anschlussleitung als eine Einheit anzusehen.

In Bezug auf die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 39 UVP-G die Zuständigkeit der Landesregierung. Über die örtliche Zuständigkeit regelt das UVP-G nichts, sodass die subsidiär heranzuziehende Regelung des § 3 AVG (vgl VwGH 3. 4. 2009, 2008/22/0666) in den Blick zu nehmen ist. Sowohl der gegenständliche Windpark als auch die Anschlussleitung stellen ein unbewegliches Gut im Sinne des bürgerlichen Rechts dar. Da das gegenständliche Projekt auf Grund seiner Situierung über Landesgrenzen hinweg keine Zuordnung zum Zuständigkeitsbereich einer der Landesregierungen erlaubt, lässt sich die örtliche Zuständigkeit einer Landesregierung für die gegenständliche Rechtssache (Feststellung gemäß § 3 Abs 7 UVP-G) auf Grund der Lage des Gutes nicht bestimmen. Daher ist § 4 Abs 1 AVG in diesem Fall nicht anzuwenden und sind weitere subsidiäre Regelungen heranzuziehen, zB § 3 Z 2 und 3 AVG.

Dann, wenn bei einem auch in einem Schutzgebiet liegenden Vorhaben ein Vorhabensteil, für den eigene Schwellenwerte im Anhang 1 zum UVP-G normiert sind, gänzlich außerhalb des Schutzgebietes liegt, sind grundsätzlich nicht die Schwellenwerte maßgebend, die für diesen bei der Situierung innerhalb von Schutzgebieten gelten. Eine andere Sichtweise wäre gleichheitsrechtlich bedenklich, weil die Schwellenwerte im Sinne des Umweltschutzes insoweit gleich sein müssen, unabhängig also davon, ob ein anderer Vorhabensteil in einem Schutzgebiet situiert ist oder nicht. Anderes könnte gelten, wenn nach dem Unionsrecht die niedrigeren Schwellenwerte auch im Nahebereich eines Schutzgebietes gelten müssten, dann allerdings unabhängig davon, ob überhaupt ein Teil des Vorhabens in einem Schutzgebiet liegt.


Revisionslegitimation des Umweltanwalts im UVP-Feststellungsverfahren

VwGH 26. 4. 2017, Ro 2017/03/0010

Der Umweltanwalt verfügt (grundsätzlich) über keine subjektiven Rechte, sondern übt Kompetenzen aus (vgl VwGH 25. 4. 2013, 2012/10/0096; 15. 3. 2011, 2010/05/0205).

§ 3 Abs 7 UVP-G räumt ausdrücklich lediglich der Standortgemeinde, nicht aber einem Umweltanwalt die Kompetenz zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof ein.
Dem Umweltanwalt steht als Formalpartei im Feststellungsverfahren nach § 3 Abs 7 UVP-G die Erhebung einer Revision beim VwGH lediglich dann offen, wenn sie dort die Verletzung ihrer prozessualen Rechte (die für sie subjektive Rechte darstellen) geltend macht. Nur zur Durchsetzung ihrer aus der durch Gesetz eingeräumten Stellung folgenden prozessualen Befugnisse kommt einer Formalpartei auch Revisionslegitimation iSd Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG zu.


Pflicht zur Vorlage von Unterlagen zur Projektidentifikation und Abschätzung von Umweltauswirkungen; Relevanz des Willens des Projektwerbers betr die Ausführungsweise; Einzelfallprüfung in einem schutzwürdigen Gebiet nach § 3 Abs 4 UVP-G erfordert keine umfassende Prüfung der Umweltauswirkungen, sondern eine Prüfung iZm Schutzzweck des schutzwürdigen Gebietes

VwGH 11. 5. 2017, Ra 2017/04/0006

Gegenstand eines Verfahrens gemäß § 3 Abs 7 UVP-G ist die Feststellung der Pflicht zur Durchführung einer UVP für ein Vorhaben (bzw für eine geplante Vorhabensänderung) nach Maßgabe der eingereichten Projektunterlagen. Dabei ist ein Projektwerber gemäß § 3 Abs 7 UVP-G dazu verpflichtet, der Behörde jene Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Projekts und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Maßgeblich ist ferner der Wille des Projektwerbers, ein Vorhaben in gewisser Weise auszuführen (vgl VwGH 17. 12. 2014, 2014/03/0066, mwN).

Nach § 3 Abs 2 UVP-G sind die Auswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben auf die Umwelt zu beurteilen, während nach § 3 Abs 4 UVP-G bloß die mögliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes, für den das schutzwürdige Gebiet festgelegt wurde, zu beurteilen ist (vgl VwGH 17. 12. 2015, 2012/05/0153). Dieser auf den Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet festgelegt wurde, beschränkten Prüfpflicht steht auch die Rechtsprechung des VwGH nicht entgegen, nach der die programmatische Bestimmung des § 1 UVP-G als Interpretationshilfe für die übrigen Bestimmungen des UVP-G herangezogen werden kann, weswegen bei der Auslegung der in Anh 1 UVP-G enthaltenen Tatbestände jedenfalls auch die in § 1 Abs 1 UVP-G genannten Zielsetzungen und die in dieser Bestimmung genannten Schutzgüter zu berücksichtigen sind (vgl VwGH 17. 12. 2014, 2014/03/0066). § 3 Abs 4 erster Satz UVP-G bestimmt nämlich ausdrücklich, dass die Behörde im Wege der Einzelfallprüfung zu entscheiden hat, ob zu erwarten ist, dass der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet der Kategorie D festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Daher besteht die Auffassung der Behörde zu Recht, bei einer Einzelfallprüfung in einem schutzwürdigen Gebiet nach § 3 Abs 4 UVP-G habe keine umfassende Prüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens, sondern eine auf den Schutzzweck des schutzwürdigen Gebietes (hier der Kategorie D) bezogene Prüfung zu erfolgen.


Prüfung der Auswirkungen eines Vorhabens auf angrenzende Gebiete; Erheblichkeitsbeurteilung stellt nicht auf die Zuerkennung eines bestimmten Schutzstatus ab

VwGH 29. 6. 2017, Ra 2016/04/0068

Nach § 3a Abs 4 UVP-G sind bei der Feststellung im Einzelfall die in § 3 Abs 4 Z 1 bis 3 UVP-G angeführten Kriterien zu berücksichtigen, wobei in diesem Zusammenhang unter anderem die ökologische Empfindlichkeit und die Belastbarkeit der Natur zu berücksichtigen sind (siehe zur Bedeutung des Standortes für die Frage der Erheblichkeit von Auswirkungen auf die Umwelt nach der UVP-RL auch EuGH 21. 9. 1999 in der Rs C-392/96, Kommission gegen Irland, Rn 65 ff).

Bei der Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Umwelt gemäß § 3a UVP-G wird auf § 1 Abs 1 Z 1 UVP-G verwiesen. Eine Beschränkung der Prüfung der Umweltauswirkungen bei einer Entnahme von mineralischen Rohstoffen auf das Abbaugebiet lässt sich daraus nicht ableiten, vielmehr sind auch die Auswirkungen auf angrenzende Gebiete zu prüfen (vgl in diesem Sinn - noch zur früheren Fassung der UVP-RL - EuGH 24. 11. 2011, Rs C-404/09, Kommission gegen Spanien, Rn 87; zur Notwendigkeit einer umfassenden Überprüfung der Auswirkungen des Vorhabens vgl VwGH 23. 9. 2009, 2007/03/0170). Ausgehend davon kann es für die Frage der Erheblichkeit von Umweltauswirkungen eine Rolle spielen, ob die an den Projektstandort angrenzenden Gebiete, die von den Auswirkungen des Vorhabens betroffen sind, eine besondere ökologische Empfindlichkeit bzw eine geringe Belastbarkeit und damit eine höhere Schutzwürdigkeit aufweisen.

Dem UVP-G lässt sich nicht entnehmen, dass für die Beurteilung der Erheblichkeit von Umweltauswirkungen - anders als bei der Prüfung im Rahmen des hier nicht einschlägigen § 3 Abs 4 erster Satz UVP-G - schematisch auf die Zuerkennung eines bestimmten Schutzstatus abzustellen ist. Anhang III zur UVP-RL sieht in seiner Z 2 lit c) v) allerdings vor, dass die ökologische Empfindlichkeit der geographischen Räume, die durch die Projekte möglicherweise beeinträchtigt werden, unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der Natur - und hier wiederum unter Berücksichtigung der durch einzelstaatliche Gesetzgebung ausgewiesenen Schutzgebiete bzw der von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 92/43/EWG ausgewiesenen Natura-2000-Gebiete - beurteilt werden müssen. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 14. 1. 2016 in der Rs C-141/14, Kommission gegen Bulgarien, eine Verletzung der Verpflichtung aus (ua) Art 4 Abs 2 und 3 der UVP-RL darin gesehen, dass unterlassen wurde, die kumulativen Auswirkungen näher bezeichneter Projekte auf ein für den Vogelschutz wichtiges Gebiet, das nicht als besonderes Schutzgebiet ausgewiesen wurde, obwohl dies hätte geschehen müssen, ordnungsgemäß zu prüfen. Die Republik Bulgarien habe keinen Nachweis vorgelegt, dass die Schlussfolgerung, es werde keine kumulativen Auswirkungen geben, auf einer eingehenden Prüfung beruhe. Der EuGH anerkennt somit die Bedeutung der besonderen Schutzwürdigkeit von Gebieten (ungeachtet dessen, ob eine Ausweisung erfolgt ist) und stellt diesbezüglich auf das Vorliegen einer ordnungsgemäßen, eingehenden Prüfung ab.


Eingetragene Umweltorganisation kann nach § 3 Abs 7a UVP-G sowohl Interessen der Allgemeinheit geltend machen als auch Eingriffe in Rechtsgüter Einzelner und hat Revisionslegitimation in Feststellungsverfahren

VwGH 21. 12. 2017, Ro 2015/06/0018

Der mit § 3 Abs 7a UVP-G geschaffene Rechtsschutz von Umweltorganisationen muss im Feststellungverfahren unionsrechtskonform so ausgelegt werden, dass es einer eingetragenen Umweltorganisation möglich ist, dieselben Rechte geltend zu machen wie ein Einzelner (EuGH 15. 10. 2015, Rs C-137/14, Kommission gegen Deutschland). Daher kommt einer eingetragenen Umweltorganisation nach § 3 Abs 7a UVP-G das Recht zu, die Einhaltung solcher Umweltschutzvorschriften geltend zu machen, die nicht nur Interessen der Allgemeinheit, sondern auch Rechtsgüter des Einzelnen schützen, und deren Schutz vor Beeinträchtigung etwa auch durch den einzelnen Nachbarn als subjektiv-öffentliches Recht im Verfahren geltend gemacht werden kann. Ausgehend davon war die Revisionswerberin als anerkannte Umweltorganisation auch Partei des Verfahrens vor dem VwG und uneingeschränkt gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG revisionslegitimiert (vgl hingegen zur eingeschränkten Revisionslegitimation einer Formalpartei nach UVP-G [Umweltanwalt] VwGH 28. 5. 2015, 2014/07/0079, mwN).

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Keine Pflicht der Behörde im materienrechtlichen Verfahren,
aufgrund Einwands der UVP-Pflicht durch Nachbarn einen Feststellungantrag
gemäß § 3 Abs 7 UVP-G zu stellen

VwGH 24. 4. 2018, Ra 2016/05/0112

Nachbarn ist zwar seit der am 24. 2. 2016 in Kraft getretenen Novelle BGBl I 2016/4 gem § 3 Abs 7a UVP-G ein Beschwerderecht gegen eine Entscheidung der UVP-Behörde gem § 3 Abs 7 UVP-G an das BVwG eingeräumt. Bestand diese Möglichkeit mangels Vorliegens einer solchen Entscheidung der Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses des VwG aber nicht, steht Nachbarn in einem solchen Fall aber die Möglichkeit offen, in einem materienrechtlichen Verfahren - wie im vorliegenden Fall im baurechtlichen Verfahren - den Einwand der UVP-Pflicht sowie der sich daraus allenfalls ergebenden Unzuständigkeit der Behörde zu erheben und somit im Genehmigungsverfahren die Frage des Bestehens einer Pflicht zur Durchführung einer UVP einer Prüfung zu unterziehen (vgl etwa VwGH 23. 2. 2017, 2014/07/0034, 0044, mwN).

Die (Fach-)Behörde ist verpflichtet, ihre Zuständigkeit von Amts wegen unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und in ihrer Entscheidung auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen darzulegen, warum sie etwa vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht (vgl etwa VwGH 29. 9. 2015, 2014/05/0056; 23. 2. 2017, 2014/07/0034, 0044 mwN). Anders wäre es, wenn diesbezüglich eine für alle Parteien des materienrechtlichen Verfahrens verbindliche Entscheidung gemäß § 3 Abs 7 UVP-G vorläge. Entgegen der vom VwG vertretenen Auffassung besteht für die (Fach-)Behörde im (materienrechtlichen) Baubewilligungsverfahren jedoch keine Verpflichtung, im Fall der Erhebung des Einwandes der UVP-Pflicht durch einen Nachbarn einen Feststellungsantrag nach § 3 Abs 7 UVP-G zu stellen. Die Behörde hatte daher auch keine rechtskräftige Entscheidung der UVP-Behörde abzuwarten.


Rechtskonforme Konstituierung einer Bürgerinitiative nur durch Personen,
die zur Gemeinderatswahl legitimiert sind 

VwGH 19. 6. 2018, Ro 2015/06/0009

Eine Personengruppe nimmt nur dann gemäß § 19 Abs 4 UVP-G am weiteren Verfahren teil, wenn sie von einer ausreichenden Anzahl an Personen, die in der Standortgemeinde oder einer unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt sind, unterstützt wird. Da die Mitglieder der Revisionswerberin in Liechtenstein wohnhaft sind, kam fallbezogen eine rechtmäßige Konstituierung einer Bürgerinitiative nicht zustande. Eine namens dieser Gruppierung erhobene Revision ist daher unzulässig.


Auflage der zum Bescheidinhalt erklärten Beilagen zur öffentlichen Einsichtnahme; Schutz der Luft dient nicht nur dem Schutz des Menschen; Beurteilung der Einheit eines Projekts mit einem im Zusammenhang stehenden anderen Projekt  

VwGH 25. 9. 2018, Ra 2018/05/0061

Gemäß § 3 Abs 7 achter Satz UVP-G ist "der Bescheid" zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs 4 UVP-G erfolgen, zu veröffentlichen, wobei "der Bescheid" als Download für sechs Wochen bereitzustellen ist. Da § 3 Abs 7 achter Satz UVP-G keine weitere Differenzierung trifft, sondern ausspricht, dass "der Bescheid" neben der öffentlichen Auflage auch im Internet bereitzustellen ist, wird damit auf den vollständigen Bescheid, das heißt inklusive der zum Bescheidinhalt erklärten Beilagen, abgestellt.

Das UVP-G geht erkennbar davon aus, dass es sich bei der Luft um ein eigenständiges Schutzgut handelt (siehe die in § 1 Abs 1 Z 1 lit a bis d UVP-G genannte Aufzählung der Schutzgüter), sodass eine diesbezügliche Einzelfallprüfung darauf abzustellen hat, ob das Vorhaben Einfluss auf die Luftqualität haben kann. Bejaht die Behörde auf Grundlage der Ausführungen des luftreinhaltetechnischen Sachverständigen dies (weil zwar einzelne Zusatzimmissionen aus technischer Sicht als irrelevant zu bewerten, die Zusatzimmissionen für den "JMW an NO2" aber als "relevant zu bewerten seien"), so kommt es nicht mehr darauf an, ob bzw welche Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit von Menschen zu erwarten sind.

Der Schutz der Luft dient nicht ausschließlich dem Schutz des Menschen vor Auswirkungen von Luftschadstoffen (siehe etwa § 2 Abs 6 Immissionsschutzgesetz - Luft (IG-L), BGBl I Nr 1997/115 idF BGBl I 2010/77, wonach Schutzgüter des Immissionsschutzgesetzes - Luft der Mensch, der Tier- und Pflanzenbestand, ihre Lebensgemeinschaften, Lebensräume und deren Wechselbeziehungen sowie Kultur- und Sachgüter darstellen).

Die Frage nach dem Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung der Luft ist eine luftreinhaltetechnische und keine humanmedizinische. 

Das Vorhaben gemäß § 2 Abs 2 UVP-G beschränkt sich nicht auf die jeweilige technische Anlage, sondern umfasst auch alle mit dieser in ihrem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen. Räumlich zusammenhängende Projekte (auch wenn sie für sich nicht UVP-pflichtig wären) sind als Einheit und somit als ein Vorhaben dann anzusehen, wenn sie in einem engen funktionellen Zusammenhang stehen (hier: laut Projektunterlagen "verkehrliche Erschließung des Vorhabensgebietes" durch Ausbau bestimmter Straßen). 

Ein für sich nicht UVP-pflichtiges Vorhaben bildet hingegen dann keine Einheit mit einem anderen Projekt, wenn es (auch) einen anderen, mit jenem nicht zusammenhängenden Zweck verfolgt und keinen engeren Zusammenhang mit jenem aufweist, als er etwa bei bloßen, nicht UVP-pflichtigen Vorarbeiten zu sehen ist (vgl VwGH 29. 3. 2017, Ro 2015/05/0022, mwN).


Mängel in Projektunterlagen kann Nachbar nur geltend machen,
wenn diese einen Informationsmangel bedingen

VwGH 27. 3. 2018, Ra 2017/06/0232

§ 1 Abs 1 Z 3 und Z 4 UVP-G stellt eine bloß programmatische Bestimmung dar, die die Aufgaben der Umweltverträglichkeitsprüfung festlegt und als Interpretationshilfe dient, für sich genommen aber nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl VwGH 19. 12. 2013, 2011/03/0160).

Ein Nachbar kann Mängel in den Projektunterlagen grundsätzlich nur dann als Verletzung von Nachbarrechten geltend machen, wenn er sich infolge dieser Mängel nicht ausreichend über Art und Umfang des Vorhabens sowie über die Einflussnahme auf seine Rechte informieren konnte.


Unvollständigkeit der Projektunterlagen bzw der UVE in Bezug auf Nachsorgemaßnahmen können Nachbarn nur rügen, wenn ihnen dadurch die Geltendmachung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte verunmöglicht wird;
auch Bürgerinitiative kann die Unvollständigkeit der UVE als subjektives Recht
geltend machen

VwGH 27.9.2018, Ro 2018/06/0006

Parteien gemäß § 24f Abs 8 iVm § 19 Abs 1 Z 1 UVP-G können als subjektiv-öffentliche Rechte nur eine Gefährdung oder Belästigung bzw eine Gefährdung ihrer dinglichen Rechte geltend machen. Die Frage der Vollständigkeit von Unterlagen - fallbezogen der Umweltverträglichkeitserklärung hinsichtlich der Nachsorgemaßnahmen gemäß § 6 UVP-G - können Parteien nur insoweit erfolgreich rügen, als ihnen durch die Unvollständigkeit die Geltendmachung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte unmöglich gemacht wird.

Eine Bürgerinitiative kann dies rügen, wenn ihr durch die Unvollständigkeit die Geltendmachung des subjektiven Rechts auf die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften unmöglich gemacht wird.


Ausschluss der Parteistellung von Bürgerinitiativen im vereinfachten Genehmigungsverfahren widerspricht Aarhus-Konvention und Unionsrecht

VwGH 27. 9. 2018, Ro 2015/06/0008

Eine Bürgerinitiative ist als Teil der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne Art 1 Abs 2 lit e UVP-RL anzusehen, sofern sie die verfahrensrechtlichen Anforderungen des nationalen Gesetzgebers erfüllt. Nach der Judikatur des EuGH kommt ihr daher in Verfahren gemäß Art 9 Abs 2 iVm Art 6 Aarhus-Konvention ein Recht auf Beteiligung als Partei zu, unabhängig davon, ob ein solches Verfahren innerstaatlich als "ordentliches" Genehmigungsverfahren oder als vereinfachtes Verfahren ausgestaltet ist.

Gemäß Art 11 Abs 1 und 3 UVP-RL sowie Art 9 Abs 2 Aarhus-Konvention ist für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit bei ausreichendem Interesse oder Geltendmachung einer Rechtsverletzung eine Anfechtungsmöglichkeit aufgrund materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Rechtswidrigkeit umweltbezogener Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der UVP-Richtlinie bzw des Art 6 der Aarhus-Konvention vorzusehen. Mit dem Verweis auf Art 6 leg cit ist klargestellt, dass die Verpflichtung, einen weiten Zugang zu Gericht (Art 9 Abs 2 zweiter UnterAbs leg cit) zu gewähren, für Vorhaben gilt, die entweder in Anh I der Aarhus-Konvention angeführt sind oder eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können (EuGH 20. 12. 2017, C-664/15, Protect Rn 64). 

Sowohl das "ordentliche" Genehmigungsverfahren als auch das vereinfachte Genehmigungsverfahren (§ 3 Abs 1 UVP-G) müssen diesen unionsrechtlichen Anforderungen entsprechen, zumal auch jene Vorhaben, die nach dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können (Art 1 Abs 1 UVP-RL). Damit ist der in § 19 UVP-G vorgesehene Ausschluss der Parteistellung von Bürgerinitiativen in vereinfachten Verfahren nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.


Keine Antragsberechtigung im Feststellungsverfahren, aber allenfalls Parteistellung der Standortgemeinde im Genehmigungsverfahren, um UVP-Pflicht eines Vorhabens einwenden zu können

VwGH 1. 10. 2018, Ra 2016/04/0141

§ 3 Abs 7 UVP-G trifft nach seinem eindeutigen Wortlaut eine umfassende und abschließende Regelung über den Kreis der zum Feststellungsantrag berechtigten Personen. Den Kreis der Antragsberechtigten zu erweitern, würde der ausdrücklichen Anordnung dieser gesetzlichen Bestimmung widersprechen.

Um den Anforderungen des EuGH in Auslegung der UVP-Richtlinie, dass nämlich die betroffene Öffentlichkeit eine auf der Grundlage einer nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, keine UVP durchzuführen, im Rahmen eines gegen diese Entscheidung oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anfechten können muss (vgl Rn 40 des U in der Rechtssache C-570/13, Karoline Gruber), Genüge zu tun, wäre der Standortgemeinde - wenn diese als betroffene Öffentlichkeit anzusehen ist - allenfalls Parteistellung im jeweiligen Genehmigungsverfahren einzuräumen, um ihr die Möglichkeit zu eröffnen, vorzubringen, dass das jeweilige Projekt einer UVP zu unterziehen sei, (vgl zur Verpflichtung der nationalen Gerichte, den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung zu gewährleisten, VwGH 5. 11. 2015, Ro 2014/06/0078).

Ohne im Rahmen dieser Entscheidung die Frage, ob die Standortgemeinde als "betroffene Öffentlichkeit" im Sinne der UVP-Richtlinie anzusehen ist oder nicht, abschließend beantworten zu müssen, bedarf es eines darüber hinausgehenden Antragsrechts auf Feststellung des Erfordernisses einer UVP sowie auf Durchführung einer UVP zur Wahrung der von der UVP-Richtlinie eingeräumten Mitspracherechte nicht. Eine entsprechende Gewährung oder Nichtgewährung der Parteistellung im Materienverfahren wäre im dortigen Verfahren abschließend zu klären (vgl VwGH Ro 2014/06/0078).


Strafbarkeit von Abweichungen von der Genehmigung bis zum Abschluss des Abnahmeverfahrens auch bei nachträglicher Genehmigung

VwGH 3. 10. 2018, Ra 2018/07/0421

Dem UVP-G ist nicht zu entnehmen, dass die Verpflichtung zur Einhaltung von Nebenbestimmungen im Zeitraum zwischen der Umsetzung des Konsenses und dem Abschluss eines allfällige geringfügige Abweichungen nachträglich genehmigenden Abnahmebescheides (nach § 20 Abs 4 UVP-G) nicht bestünde; auch in diesem Zeitraum stellt eine Nichteinhaltung einer Nebenbestimmung die Verwirklichung des Verwaltungsstraftatbestandes nach § 45 Abs 2 lit b UVP-G dar.

Darauf, ob mit der Nichterfüllung der Auflage ein Eingriff in Schutzgüter des UVP-G verbunden wäre, kommt es bei der Verwirklichung des Straftatbestandes ebenfalls nicht an.


Immissionsbegriff umfasst alle physischen Einwirkungen auf den Boden; keine Interessenabwägung und keine wirtschaftliche Zumutbarkeitsprüfung iZm den Genehmigungskriterien des Auffangtatbestandes gem § 17 Abs 2 Z 2 lit b; Definition einer "bleibenden Schädigung"

VwGH 22. 11. 2018, Ro 2017/07/0033

Unter dem in § 17 Abs 2 Z 2 lit b UVP-G genannten Begriff der "Immission" ist jede Form einer Einwirkung zu verstehen, die von einem Vorhaben ausgeht und die die Schutzgüter des § 1 Abs 1 Z 1 des UVP-G beeinträchtigen kann. Dieser Begriff umfasst auch die direkte Einwirkung auf den Boden, etwa in Form der Entfernung der Deckschicht und/oder der Versiegelung des Bodens, jedenfalls alle physischen Einwirkungen.

Die in Abs 2 des § 17 UVP-G verankerten Genehmigungsvoraussetzungen gelten im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge "zusätzlich", soweit die Anforderungen nicht schon in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehen sind (vgl AB 1179 BlgNR 18. GP). Daraus ergibt sich eine Subsidiarität des Abs 2 gegenüber dem anzuwendenden Materienrecht. Sieht das Materiengesetz eine Anforderung vor, gilt diese; wenn dies nicht der Fall ist, weil der Schutzanspruch eines Materiengesetzes geringer ist, kommt § 17 Abs 2 UVP-G zum Tragen.

Abs 2 des § 17 UVP-G verdrängt mildere Beurteilungsmaßstäbe und stellt daher - von seiner Intention her - zusätzliche Genehmigungsvoraussetzungen im Sinne eines Mindeststandards auf, die ein Vorhaben jedenfalls zu erfüllen hat. Die UVP-Behörde hat ihre Einhaltung gegebenenfalls durch die Vorschreibung geeigneter Nebenbestimmungen (nach § 17 Abs 4 UVP-G) sicher zu stellen. 

Die Vorschrift des § 17 Abs 2 Z 2 lit b UVP-G sieht eine Interessenabwägung iSd § 29 Abs 2 Z 2 Tir NatSchG (Vorliegen anderer langfristiger öffentlicher Interessen an der Erteilung der Bewilligung) nicht vor. Auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit oder des Bedarfes ist kein Kriterium. Liegt eine bleibende Schädigung eines Schutzgutes im Sinne dieser Bestimmung vor, ist die Bewilligung nach dem UVP-G - egal, ob es sich dabei um ein im langfristigen öffentlichen Interesse liegendes Projekt handelt oder nicht - zu versagen. Diese Bestimmung lässt keine Interessenabwägung und auch keine wirtschaftliche Zumutbarkeitsprüfung zu. 

Unter § 17 Abs 2 Z 2 lit b UVP-G sind konkret zu erwartende, weder vermeidbare noch kompensierbare, systemzerstörende oder nachhaltig beeinträchtigende Umweltauswirkungen zu subsumieren. Eine "bleibende Schädigung" liegt daher dann vor, wenn solche Umweltauswirkungen weder vermieden noch kompensiert werden können und wenn sich die Schädigung als nachhaltig, dh sehr lange und einschneidend auf die Umwelt wirkend, darstellt. Darauf, ob die Schäden irreversibel sind oder nicht, kommt es hingegen nicht an; auch (in unbestimmter ferner Zukunft) reversible Eingriffe können gegebenenfalls den Tatbestand erfüllen.
In jedem Fall einer Prüfung des Versagungstatbestandes des § 17 Abs 2 Z 2 lit b UVP-G sind die konkret im Einzelfall vorliegenden Einwirkungen auf gefährdete Schutzgüter zu prüfen. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer systemzerstörenden Nachhaltigkeit des Eingriffs kann fallbezogen auch auf den Umstand der (fehlenden) Besonderheit eines konkret geschädigten Umweltmediums Bedacht genommen werden.

Die Kompensierbarkeit eines Eingriffs (zB durch geeignete Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen) steht einer Versagung der Genehmigung nach § 17 Abs 2 Z 2 lit b UVP-G entgegen.


Im Feststellungsprojekt ist immer das Gesamtprojekt Beurteilungsgegenstand 

VwGH 29.11.2018, Ro 2016/06/0024

Es ist bei Straßenbauprojekten nicht zulässig, eine Aufspaltung des einheitlichen Projekts in zwei verschiedene Vorhaben vorzunehmen, für welches getrennte Feststellungsverfahren (einerseits nach § 24 Abs 5 UVP-G und andererseits nach § 3 Abs 7 UVP-G) zu führen wären. Da das jeweilige Gesamtprojekt Beurteilungsgegenstand zu sein hat, sind auch Straßenbauvorhaben, die unter einen der Ausnahmetatbestände gemäß § 23a Abs 2 Z 3 UVP-G fallen, in ihrer Gesamtheit, also einschließlich der in ihrem Zuge in räumlichem und sachlichem Zusammenhang geplanten Maßnahmen, zu beurteilen. Daraus folgt, dass für die UVP-Pflicht nicht allein ausschlaggebend ist, ob die unmittelbar mit der Straßenerrichtung oder Änderung einer bestehenden Straße verbundenen Maßnahmen unter einen der Ausnahmetatbestände des § 23 Abs 2 Z 3 UVP fallen.


Unionsrechtswidrigkeit einer UVP-Genehmigungsfiktion

VwGH 29. 11. 2018, Ra 2016/06/0034 

Der VwGH geht davon aus, dass die Voraussetzungen, die im Urteil des EuGH vom 17. 11. 2016, C-348/15, zur Anwendbarkeit des Art 1 Abs 5 der RL 85/337 näher dargestellt werden, bei der Schaffung des § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G nicht vorlagen. Unter Berücksichtigung sowohl des Inhaltes des Gesetzgebungsaktes als auch des gesamten Gesetzgebungsverfahrens (kurzfristig dem Nationalrat vorgelegter Änderungsantrag, kein Begutachtungsverfahren, keine parlamentarischen Debatten) ist nur der Schluss zulässig, dass eine Rechtsvorschrift wie § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G den Anforderungen des Art 1 Abs 5 der RL 85/337 nicht genügt. Die Bestimmung des § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G führt daher nicht zum Ausschluss der von ihr erfassten Vorgänge vom Geltungsbereich der RL (vgl VwGH Ro 2014/07/0108).

Der EuGH hat geprüft, ob die Vorschrift des § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G allenfalls durch Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gerechtfertigt sein könnte. Eine nationale Vorschrift, wonach ein Vorhaben, dessen Genehmigung nicht mehr anfechtbar ist, weil die im nationalen Recht dafür vorgesehene Frist verstrichen ist, ohne Weiteres als im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung einer UVP als rechtmäßig genehmigt gilt, wäre nicht mit der Richtlinie vereinbar (vgl EuGH 17. 11. 2016, C-348/15). § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G fingiert das Bestehen einer Bewilligung nach dem UVP-G für den Fall, in dem trotz bestanden habender UVP-Pflicht keine vorherige Genehmigung eingeholt wurde und eine stattdessen erteilte materiellrechtliche Genehmigung (hier: nach dem AWG 1990) wegen Zeitablaufs von drei Jahren nicht mehr durch die Behörde vernichtet (für nichtig erklärt) werden kann, ohne weitere inhaltliche Kriterien aufzustellen. Dieser Bewilligungsfiktion, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass eine notwendige, der Genehmigung vorhergehende Umweltverträglichkeitsprüfung als durchgeführt und die Anlage als gemäß dem UVP-G genehmigt gilt, steht das Unionsrecht entgegen. § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G ist wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar.

Da das im Erkenntnis Ro 2014/07/0108 näher dargestellte Gesetzgebungsverfahren der Zielsetzung im Hinblick auf die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht entsprochen hat (vgl zu diesem Erfordernis auch Rz 26 des U des EuGH, C-348/15) und daher § 46 Abs 20 Z 4 UVP-G wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar ist, kann ein Anlageninhaber, der sich auf diese Übergangsvorschrift beruft, nicht im Recht, dass die betriebene(n) Schweinezuchtanlage(n) als genehmigt im Sinne des UVP-G gelte(n), verletzt sein.


Kein Antragsrecht einer anerkannten UO auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens; Irrelevanz einer zu Unrecht angenommenen Antragsbefugnis, wenn eine Feststellung auch amtswegig erfolgen kann

VwGH 29. 11. 2018, Ra 2016/06/0034

Einer gemäß § 19 Abs 7 UVP-G anerkannten Umweltorganisation kommt kein Antragsrecht auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs 7 UVP-G zu (vgl VwGH 17. 2. 2016, Ro 2016/04/0001, mwN).

Ungeachtet der Frage, wer hinsichtlich eines Verfahrens nach § 3 Abs 7 UVP-G antragsberechtigt ist, kommt dann, wenn ein negativer Feststellungsbescheid nach der genannten Bestimmung ergangen ist, den nach § 3 Abs 7a UVP-G Beschwerdeberechtigten die Beschwerdelegitimation zu. Da ein Bescheid gemäß § 3 Abs 7 UVP-G auch von Amts wegen ergehen kann, liegt keine Rechtsverletzung vor, wenn eine Behörde einen Feststellungsbescheid aufgrund einer zu Unrecht angenommenen Antragstellung erlassen hat (VwGH 14. 5. 1991, 90/11/0218), ob der Bescheid aufgrund des Antrags der anerkannten Umweltorganisation ergehen durfte und es ist nicht von entscheidender Bedeutung für die Beschwerdeberechtigung.


Feststellungsverfahren: Prüfung einer Umgehung der UVP trotz Einschränkung auf Grobprüfung

VwGH 19. 12. 2018, Ra 2016/06/0141

Der VwGH teilt die Rechtsansicht, dass - ungeachtet dessen, dass § 3 Abs 7 UVP-G (lediglich) eine Grobprüfung verlangt - der Frage, ob mit den Vorhaben eine Umgehung der Durchführung einer UVP erfolgen könnte, besonderes Augenmerk zu schenken ist. Dies betrifft insbesondere die Beantwortung der Frage, ob gegebenenfalls von einem einheitlichen Vorhaben gemäß § 2 Abs 2 UVP-G auszugehen wäre, aber auch die Notwendigkeit einer genauen Prüfung des Bestehens kumulierungsfähiger Vorhaben.

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Bürgerinitiativen können sich auch am vereinfachten Verfahren als Parteien beteiligen

VwGH 30. 1. 2019, Ro 2017/06/0025

Eine BI ist, sofern sie die verfahrensrechtlichen Anforderungen des nationalen Gesetzgebers erfüllt, als Teil der betroffenen Öffentlichkeit iS des Art 1 Abs 2 lit e UVP-RL anzusehen. Nach der Rsp des EuGH (C-664/15) kommt ihr daher in Verfahren gem Art 9 Abs 2 iVm Art 6 Aarhus-Konvention ein Recht auf Beteiligung als Partei zu, unabhängig davon, ob ein solches Verfahren innerstaatlich als „ordentliches“ Genehmigungsverfahren oder als vereinfachtes Verfahren ausgestaltet ist. Der in § 19 UVP-G vorgesehene Ausschluss der Parteistellung von BI in vereinfachten Verfahren hat unangewendet zu bleiben (VwGH 27. 9. 2018, Ro 2015/06/0008). Daran ändert auch nichts, dass im Zeitpunkt der E des BVwG eine rechtskräftige E des BVwG hinsichtlich des Fehlens der Parteistellung der revisionswerbenden BI vorhanden war. Einerseits wirkt nach der st Rsp des VwGH zu § 42 Abs 3 VwGG die Aufhebung eines Bescheides bzw nunmehr eines Erk oder B eines VwG ex tunc auf den Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Aktes zurück (vgl etwa VwGH 30. 6. 1994, 91/06/0174) und es besteht daher schon deshalb keine bei der Entscheidung im vorliegenden Fall zu beachtende Bindungswirkung, andererseits wäre auch die rechtskräftige Entscheidung hinsichtlich des Fehlens der Parteistellung nach unionsrechtlichen Grundsätzen als verdrängt anzusehen.


Keine Festlegung von Flugrouten im UVP-Verfahren, aber Beschreibung von Gebieten, die durch Flugbetrieb nicht oder nur geringfügig zusätzlich belastet werden dürfen; Prüfung von Auswirkungen des Vorhabens "dritte Piste" auf das Klima, Bestehen eines Finanzierungsplans  keine "Umweltschutzvorschrift"

VwGH 6. 3. 2019, Ro 2018/03/0031

Die Festlegung der Flugrouten durch die Austro Control GmbH erfolgt nicht im UVP-Verfahren. Die Flugrouten, über welche die neu zu errichtende Start- und Landebahn künftig genutzt werden soll, gehören zu den prognostischen Annahmen, die im UVP-Verfahren insb für die Prüfung der Belastung durch Schadstoffe und durch Lärm zugrunde zu legen sind.
Dass die Festlegung der Flugrouten erst zu einem späteren Zeitpunkt durch die Austro Control GmbH erfolgen wird, bringt naturgemäß Unsicherheiten für die Prognose mit sich. Die Flugroutenprognose im UVP-Verfahren betreffend die Errichtung einer weiteren Start- und Landebahn muss die Modalitäten des zukünftigen Flugbetriebs, der über diese Piste abgewickelt werden soll, bestmöglich abbilden und darf sich nicht auf einzelne repräsentative Flugrouten beschränken, sondern hat grundsätzlich alle Flugrouten zu umfassen, die - tatsächlich und rechtlich - für den An- und Abflug zu und von der in Rede stehenden Piste in Betracht kommen können. Allerdings kann es nicht als fehlerhaft erkannt werden, wenn die UVP-Prüfung ihr besonderes Augenmerk auf jene Flugrouten legt, deren Festlegung durch die Austro Control GmbH mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, kommt es doch darauf an, das künftige Geschehen möglichst realistisch zu erfassen. Um diese Flugrouten zu identifizieren, wird es in der Regel notwendig sein, die Austro Control GmbH schon bei der Planung des Projekts entsprechend einzubinden.
Um den Unsicherheiten der Flugroutenprognose Rechnung zu tragen, kann es geboten sein, im UVP-Verfahren Gebiete im Einwirkungsbereich des Flughafens zu umschreiben, die aufgrund ihrer Vorbelastung von den Auswirkungen des Flugbetriebs infolge Inbetriebnahme der neuen Piste nicht oder nur in beschränktem Maße zusätzlich belastet werden dürfen. Allfällige Vorgaben in diese Richtung hat auch die Austro Control GmbH bei der späteren Festlegung der An- und Abflugverfahren zu berücksichtigen, um sich mit der UVP-Genehmigung nicht in Widerspruch zu setzen (vgl in diesem Sinne zur deutschen Rechtslage etwa das U des BVerwG 31. 7. 2012, 4 A 7001.11).
Verfahrens- und Entscheidungsgegenstand des UVP-Verfahrens sind durch Antrag und Vorhabensbeschreibung festgelegt. Ist die Benützung der dritten Piste nach dem Antrag nicht für Landungen vorgesehen, die bei Normalbetrieb in Richtung Osten über das Wiener Stadtgebiet führen würden, deckt die UVP-Genehmigung eine derartige Benützung der Piste auch nicht ab, was die Austro Control GmbH bei der künftigen Festlegung der Anflugverfahren zu beachten haben wird, um sich mit der UVP-Genehmigung nicht in Widerspruch zu setzen.
Es sind im Rahmen der UVP die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf das Klima zu untersuchen. Vorrangig ist dabei die Frage zu klären, welche THG-Emissionen einem Vorhaben zuzurechnen sind. Auf dieser Grundlage ist zu beurteilen, ob und in welchem Umfang das Vorhaben aufgrund der ihm zurechenbaren Emissionen Auswirkungen auf das Klima haben wird.
Der Begriff „Umweltschutzvorschriften“ ist zwar grundsätzlich weit zu verstehen und umfasst jene Rechtsvorschriften, die direkt oder indirekt dem Schutz des Menschen und der Umwelt vor schädlichen Aus- oder Einwirkungen dienen (vgl VwGH 17. 11. 2015, Ra 2015/03/0058, mwN). Bei dem gem § 69 Abs 1 lit g LFG 1958 für die Genehmigung eines Zivilflugplatzes erforderlichen Finanzierungsplan ist aber ein ausreichender Bezug zum Schutz der Umwelt aber nicht zu erkennen.


Standortgemeinde ist keine "betroffene Öffentlichkeit" iS der Aarhus Konvention 

VwGH 10. 4. 2019, Ra 2019/05/0047

Die Standortgemeinde hat gemäß § 50 Abs 4 AWG im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach dem AWG keine Parteistellung. Eine Gemeinde - auch nicht die Standortgemeinde - zählt nicht zur "betroffenen Öffentlichkeit" iS des Art 2 Z 4 AarhK und ihr steht daher nicht der "access to justice" gemäß Art 9 Abs 2 und 3 AarhK zu. Aus dem Urteil Protect des EuGH kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Die fehlende Parteistellung im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach dem AWG ist auch nicht verfassungswidrig. Eine als Behörde eingerichtete Organisationseinheit wie die Gemeinde fällt unter den Begriff der "Behörde", nicht aber unter jenen der (betroffenen) Öffentlichkeit.


Änderung eines maßgeblichen Punktes der Sach- oder Rechtslage als Grenze der
Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids 

VwGH 24. 4. 2019, Ra 2018/03/0051

Die Rechtskraft eines Feststellungsbescheids gilt immer nur für den entschiedenen Sachverhalt, dh für eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage. Bei der Beurteilung der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids nach § 3 Abs 7 UVP-G ist maßgeblich, ob das zu beurteilende Vorhaben mit dem im Feststellungsverfahren gegenständlichen Projekt hinsichtlich der für die Beurteilung der UVP-Pflicht relevanten Punkte identisch ist (vgl VwGH 26. 4. 2006, 2003/04/0097; 26. 4. 2007, 2005/07/0136). 
Diese Identität könnte etwa dann verneint werden, wenn die Lage des Bauvorhabens so verändert würde, dass die umweltrelevanten Auswirkungen anders zu beurteilen wären (vgl VwGH 19. 1. 2010, 2008/05/0162). 
Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids ist somit (schon) dann nicht mehr gegeben, wenn entweder die Sach- oder die Rechtslage in maßgebenden Punkten geändert wird.


VwGH zur rückwirkenden Anfechtung von Bewilligungsbescheiden durch Umweltorganisationen

VwGH 25. 4. 2019, Ra 2018/07/0410

Die Rechtsstellung einer Umweltorganisation zur Gewährleistung von Vorschriften des Umweltrechtes ist nicht unmittelbar aus Art 9 Abs 3 AarhK ableitbar, sondern es entsteht erst durch die GRC die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung wirksamen gerichtlichen Schutzes der durch das Recht der Union garantierten Rechte. 
Die zur Umsetzung des Art 10a (nunmehr Art 11) UVP-RL ergangenen Vorschriften des nationalen Rechts gelten auch für behördliche Genehmigungsverfahren, die vor dem 25. 6. 2005 eingeleitet wurden, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde (EuGH Rs Altrip, C-72/12). 
Ob (auch) die Bestimmungen des Art 9 Abs 3 AarhK iVm Art 47 GRC wegen der damit ebenfalls eröffneten Möglichkeit eines Zugangs zum Recht dem Art 11 UVP-RL vergleichbare Bestimmungen darstellen und daher aufgrund der Rsp des EuGH in der Rs Altrip zu berücksichtigen wären, kann dahin stehen, wenn im Zeitpunkt der Einleitung bzw förmlichen Beantragung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens (hier: 2003) weder die AarhK noch die GRC in Österreich in Kraft standen. 
Umweltorganisationen, die zur "betroffenen Öffentlichkeit" iS des Art 1 Abs 2 UVP-RL zählen, steht die Möglichkeit offen, in einem Genehmigungsverfahren die Frage der UVP-Pflicht des Vorhabens relevieren zu können. Gibt es mehrere Genehmigungsverfahren, genügt es zur Durchsetzung der Rechte der UO, ihr in einem noch offenen Verfahren Parteistellung (zur Geltendmachung der UVP-Pflicht) einzuräumen. Der Einräumung einer Parteistellung in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren bedarf es in einer solchen Konstellation zur Sicherstellung des Rechtsschutzes der Revisionswerberin nicht.
(Entscheidungsbesprechung von Berger in RdU 2020/45, Seite 78)


Anforderung an Zugangsbeschränkungen,
die das Vorliegen öffentlich zugänglicher Parkplätze ausschließen

VwGH 8. 8. 2019, Ra 2018/04/0190

Zwar lässt sich der Bestimmung des Z 21 lit b des Anh 1 zum UVP-G bzw der Definition der öffentlich zugänglichen Parkplätze nicht entnehmen, dass eine wirksame Zugangsbeschränkung zwingend eine bauliche (oder eine räumliche) Abgrenzung erfordert. Auch die bislang dazu ergangene Rsp liefert keine Anhaltspunkte für eine dahingehende Auslegung. Erforderlich ist aber, dass die Zugangsbeschränkung insofern wirksam bzw geeignet ist, als sie die Allgemeinheit von der Benützung dieses Parkplatzes "ausschließt", und dass eine diesbezügliche Kontrollmöglichkeit besteht.
Vor dem Hintergrund der geforderten Wirksamkeit der Zugangsbeschränkung ist davon auszugehen, dass eine bloße Beschilderung bzw eine Beschilderung samt Markierung für sich allein noch nicht hinreichend ist. Auch der bloße Umstand, dass die jeweilige Zuordnung der Parkplätze (zu den unterschiedlichen Nutzungskategorien) aus den Projektunterlagen klar hervorgeht, stellt für sich genommen noch keine wirksame Zugangsbeschränkung dar.


Ob ein Vorhaben ein Städtebauvorhaben iSd Anh 1 Z 18 lit b UVP-G ist, ist eine Einzelfallfrage iS des Art 133 Abs 4 B-VG

VwGH 25. 9. 2019, Ra 2019/05/0117

Da die Frage, ob ein bestimmtes Vorhaben ein Städtebauvorhaben im Sinne des Anh 1 Z 18 lit b UVP-G ist, eine Frage des Einzelfalles, könnte sich die Zulässigkeit der Revision nur ergeben, wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des VwG grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl VwGH 22. 1. 2019, Ra 2018/05/0286; 26. 2. 2019, Ra 2019/06/0012, jeweils mwN).


Städtebauprojekt: Zu den (qualitativen) Kriterien gemäß Z 2 lit c v) des Anhangs III der UVP-RL gehört auch der Standort des Projekts in einem durch die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten ausgewiesenen Schutzgebiet (UNESCO-Welterbestätten); keine Willkür aufgrund ausführlicher, zumindest vertretbarer Begründung des BVwG 

VfGH 1. 10. 2019, E 1643/2019

Nach der Rsp des EuGH, insb U v 21. 3. 2013, Rs C-244/12, Salzburger Flughafen, darf bei Projekten gem Art 4 Abs 2 lit b der UVP-RL die Festlegung von Schwellenwerten bzw Kriterien nicht zur Folge haben, dass ganze Klassen von Projekten, die Auswirkungen auf die Umwelt iSd Art 2 der Richtlinie haben, ausgenommen werden, es sei denn, es könne auf Grund der Schwellenwerte bzw Kriterien pauschal ausgeschlossen werden, dass solche negativen Auswirkungen auf die Umwelt erfolgten. Ein verbotener Ausschluss einer ganzen Klasse von umweltgefährdenden Projekten erfolge nach dem U des EuGH insbesondere dann, wenn ausschließlich quantitative Schwellenwerte bzw Kriterien für die Notwendigkeit einer UVP festgelegt werden, ohne die übrigen (qualitativen) Auswahlkriterien des Anhangs III der RL zu berücksichtigen. Der VwGH hat sich dieser Rechtsansicht in seinem Erk v 9. 10. 2014, 2013/05/0078, inhaltlich angeschlossen (auch wenn er im Ergebnis im konkreten Fall die österr Rechtslage für mit dem Unionsrecht vereinbar befand).
Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann dem BVwG nicht entgegengetreten werden, wenn es darlegt, dass zu derartigen (qualitativen) Kriterien gemäß Z 2 lit c v) des Anh III der UVP-RL auch ein Standort des Projekts in einem durch die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten ausgewiesenen Schutzgebiet Weltkulturerbestätte "Historisches Zentrum von Wien", Kategorie A des Anh 2 zum UVP-G, gehört. Weiters seien folgende im Anhang III der Richtlinie genannte Auswahlkriterien zu berücksichtigen: "Größe des Projekts", "Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte" sowie "historisch, kulturell oder archäologisch bedeutende Landschaften".
Im Falle eines Widerspruchs der nationalen Rechtslage zu den Bestimmungen der Richtlinie sind - wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts iSd vorhin zitierten Judikatur des EuGH - die genannten ausschließlich quantitativen Kriterien der Festlegung von Schwellenwerten bzw Kriterien für die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung unangewendet zu lassen. Auch dem hat sich der Sache nach der VwGH in seiner E v 9. 10. 2014, 2013/05/0078, angeschlossen.


Keine aufschiebende Wirkung für Revision gegen
negativen UVP-Feststellungsbescheid

VwGH 26. 9. 2019, Ra 2019/04/0115

Mit Bescheid der NÖ LReg wurde gem § 3 Abs 7 UVP-G festgestellt, dass für ein Bauvorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig sei. Mit dem angefochtenen Erk wurde die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. 
Werden von der revisionswerbenden Gemeinde als Nachteile aus dem Vollzug dieses Erk geltend gemacht, dass aufgrund der Bindungswirkung der UVP-Feststellung die Behörden, die für die Erteilung von Genehmigungen für dieses Vorhaben zuständig seien, annehmen müssten, dass sie für die Bewilligung des Vorhabens zuständig seien und dass durch den Gebrauch solcherart erteilter Bewilligungen Eingriffe in die Umwelt massive Auswirkungen auch auf Menschen, Tiere, Boden, Wasser und Luft getätigt würden, die nach einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, so könnten diese nachteiligen Eingriffe in die Umwelt gegebenenfalls erst auf der Grundlage der entsprechenden materienrechtlichen Bewilligungen erfolgen. 
Im hier gegenständlichen UVP-Feststellungsverfahren sind diese Umstände aber nicht von Bedeutung. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, inwiefern für die Revisionswerberin ein unverhältnismäßiger Nachteil gegeben sein sollte, wenn materienrechtliche Bewilligungsverfahren für das gegenständliche Projekt durchgeführt werden (vgl VwGH 6. 6. 2018, Ra 2018/05/0061 mwN). 
Der Verweis der Revisionswerberin auf den Beschluss vom 13. 2. 2019, Ra 2019/05/0002, betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zugunsten eines Nachbarn in einem  ein Bauverfahren nach der BO für Wien betreffenden Verfahren verfängt vor diesem Hintergrund bzw mangels Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Verfahren nichts.


Unverhältnismäßiger Nachteil iSd § 30 Abs 2 VwGG für Umweltorganisationen
aus einem anderen Staat 

VwGH 22. 10. 2019, Ra 2019/06/0148

Unter dem für die antragstellende Partei im Sinn des § 30 Abs 2 VwGG "unverhältnismäßigen Nachteil" ist im Fall der gemäß § 19 Abs 1 Z 7 UVP-G anerkannten Umweltorganisation ein Eingriff in die von den in § 19 Abs 4 bzw Abs 10 UVP-G genannten Umweltschutzvorschriften geschützten Interessen zu verstehen (vgl VwGH 4. 2. 2019, Ra 2018/04/0179, mwN). 
Gleiches gilt für eine Umweltorganisation aus einem anderen Staat, welche die Voraussetzungen des § 19 Abs 11 UVP-G erfüllt, und für Bürgerinitiativen gemäß § 19 Abs 4 UVP-G.


Herausgabe einer ministeriellen Stellungnahme zum StandortentwicklungsG
als Umweltinformation; Anerkennungsbescheide iSd § 19 Abs 7 UVP-G sind keine Umweltinformationen

VwGH 24. 10. 2019, Ra 2019/07/0021

Nicht jede Stellungnahme (auch des für den Umweltschutz zuständigen BM) stellt per se eine Umweltinformation dar. Es steht der Qualifikation einer Stellungnahme (hier: in einem Gesetzesbegutachtungsverfahren) als Umweltinformation aber nicht entgegen, dass das betreffende Verfahren und dessen Ergebnis für sich allein weder Immissionen noch Veränderungen in der Umwelt betrifft, sondern vielmehr erst die rechtlichen Grundlagen für die - allfällige - Realisierung eines Vorhabens schafft. Entscheidend ist, ob sich das betroffene Gesetzesvorhaben bei seiner Umsetzung (zumindest wahrscheinlich) auf die im Gesetz genannten Umweltbestandteile oder -faktoren auswirken wird bzw deren Schutz dienen soll. Ein solcher Fall wäre etwa bei einer geplanten relevanten Änderung von Genehmigungskriterien oder des Verfahrensregimes im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung denkbar. 
Solche Stellungnahmen, die die Willensbildung im Gesetzgebungsverfahren beeinflussen sollen, sind nicht mit Anerkennungsbescheiden nach § 19 Abs 7 UVP-G vergleichbar, welche nach der Judikatur keine Umweltinformationen darstellen (vgl VwGH 30. 3. 2017, Ro 2017/07/0004). Da derartige Bescheide lediglich darüber absprechen, dass eine Organisation die vom UVP-Verfahrensrecht vorgegebenen Mitwirkungsrechte ausüben kann, ist den Anerkennungsentscheidungen noch keine hinreichend wahrscheinliche Auswirkung auf Umweltgüter zuzumessen.

Keine Parteistellung einer UO im Naturschutzverfahren, um UVP-Pflicht einwenden zu können

VwGH 10. 12. 2020, Ra 2020/10/0161

Umweltorganisationen ist auf Grundlage des U des EuGH v 16. 4. 2015, Gruber, Rs C‑570/13, nur in Fällen, in denen kein UVP-Feststellungsverfahren durchgeführt wurde, Parteistellung im jeweiligen Genehmigungsverfahren einzuräumen, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, vorzubringen, dass das jeweilige Projekt einer UVP zu unterziehen sei. Wird dagegen über das gegenständliche Projekt ein UVP-Feststellungsverfahren durchgeführt, in dem die UO Beschwerde an das BVwG erheben konnte (und erhoben hat),*) besteht kein Anlass, der UO auch in einem naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren – und so gleichsam „doppelt“ – Parteistellung einzuräumen.


*) Das Recht zur Überprüfung negativer Feststellungsbescheide kommt den gemäß § 19 Abs 7 UVP-G anerkannten UO bereits seit der Novelle des UVP-G, BGBl I 2012/77 zu. Den Nachbarn iS des § 19 Abs 1 Z 1 UVP-G wurde dieses Beschwerderecht mit der Novelle BGBl I 2016/4 (ab 24. 2. 2016) eingeräumt. 


Zur Beurteilung der UVP-Pflicht eines Städtebauvorhabens

VwGH 11. 12. 2019, Ra 2019/05/0013 (Entwicklungsvorhaben "Projekt B.-Gasse", Wien 22., mit einer Gesamtnutzfläche von rund 240.000 m2 und einer Gesamtbruttogeschossfläche von rund 320.000 m2)

Daraus, dass der in Bezug auf die Festlegung der Schwellenwerte bzw Kriterien gemäß Art 4 Abs 2 lit b UVP-RL eingeräumte Wertungsspielraum durch die in Art 2 Abs 1 dieser RL festgelegte Pflicht begrenzt wird sowie dass mit den Schwellenwerten und Kriterien das Ziel verfolgt wird, die Beurteilung der konkreten Merkmale eines Projekts (lediglich) zu erleichtern, folgt, dass eine besondere Prüfung der Frage vorzunehmen ist, ob unter Berücksichtigung der Kriterien in Anhang III eine UVP vorzunehmen ist (vgl dazu etwa EuGH 14. 1. 2016, Kommission/Bulgarien, C- 141/14, Rn 91 bis 94).
Bei einem Städtebauvorhaben für 7000 bis 8000 Einwohner, dessen Kapazität die in Anh 1 Z 18 lit b UVP-G festgelegten Schwellenwerte (Fläche von 15 ha, Bruttogeschossfläche 150 000 m2) in einem großen Ausmaß überschreitet, ist unabhängig davon, ob die innere Verkehrserschließung des Vorhabens autofrei ohne motorisierten Individualverkehr geplant ist, mit einem motorisierten Individualverkehr bis zu den geplanten Sammelgaragen zu rechnen. Um beurteilen zu können, ob das Vorhaben einen über das Gebiet des Vorhabens hinausreichenden Einzugsbereich iS der FN 3a des Anh 1 UVP-G haben könnte, wären nähere Feststellungen, mit welchen Umweltbelastungen aufgrund dieser Verkehrsströme zu rechnen ist, zu treffen.
Der Begriff "Erschließungsstraßen" in FN 3a des Anh 1 meint nicht nur Straßen für den motorisierten Individualverkehr innerhalb des Vorhabensgebietes, zumal auch in dieser Fußnote auf einen "über das Gebiet des Vorhabens hinaus reichenden Einzugsbereich" abgestellt wird.
Das in FN 3a geforderte Vorliegen einer "gesamthaften multifunktionalen Bebauung, jedenfalls mit Wohn- und Geschäftsbauten" ist auch gegeben, wenn ein Bildungscampus, ein Kindertagesheim und die Einrichtung eines Nahversorgers vorgesehen sind; dass Einzelhandelseinrichtungen die nach Raumordnungsvorschriften vorgegebene Größe eines "Einkaufszentrums (EKZ)" erreichen müssten, ergibt sich aus der in dieser Fußnote getroffenen Regelung nicht.


Kriterien für den räumlichen Zusammenhang bei der Kumulationsprüfung; in die Prüfung einzubeziehende Vorhaben und Schutzgüter

VwGH 11. 12. 2019, Ra 2019/05/0005 (Neubau eines Schweinemaststalles)

Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen, ist, ob es durch die verschiedenen Eingriffe gleichartiger Vorhaben zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe im Sinn kumulativer und additiver Effekte kommen kann. Alle gleichartigen Vorhaben in jenem Bereich, in dem sich die von ihnen bewirkten maßgeblichen Umweltauswirkungen erwartungsgemäß überlagern werden (sodass ein gemeinsames Erreichen des Schwellenwertes gemäß § 3 Abs 2 UVP-G bewirkt wird), sind in die Einzelfallprüfung einzubeziehen. wobei der räumliche Zusammenhang schutzgutbezogen zu beurteilen ist (vgl VwGH 21. 12. 2016, Ra 2016/04/0117, mwN). Dass die zu kumulierenden Vorhaben eine bestimmte Mindestgröße aufweisen müssten oder einen bestimmten Mindestbeitrag zu den zu prüfenden Umweltauswirkungen leisten müssten, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen (vgl VwGH 24. 7. 2014, 2011/07/0214; 17. 12. 2015, 2012/05/0153).*) 
Bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Umweltauswirkungen im Rahmen des § 3 Abs 2 UVP-G ist - anders als bei der Prüfung im Rahmen des § 3 Abs 4 erster Satz UVP-G – nicht schematisch auf die Zuerkennung eines bestimmten Schutzstatus abzustellen. Ein dem Vorhaben nahe gelegenes Natura 2000-Gebiet (Gebiet der Kategorie A nach Anh 2 zum UVP-G) ist in die Prüfung der Erheblichkeit von Umweltauswirkungen einzubeziehen, auch wenn das Projekt nicht innerhalb des geschützten Gebietes liegt (vgl VwGH 29. 6. 2017, Ra 2016/04/0068).
Nach § 3 Abs 2 UVP-G sind die Auswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben auf die Umwelt zu beurteilen, während nach § 3 Abs 4 leg cit bloß die mögliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes, für den das schutzwürdige Gebiet festgelegt wurde, von Bedeutung ist (vgl zur Unterscheidung im Prüfgegenstand VwGH 11. 5. 2017, Ra 2017/04/0006, mwN).
Die Entscheidung betreffend die Auswirkung verschiedener Eingriffe kann nur jeweils einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände getroffen werden. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel (vgl VwGH 24. 2. 2015, Ro 2014/05/0097).

*) Für bestimmte Vorhabenstypen gilt diese Rsp nicht mehr uneingeschränkt, indem Bagatellgrenzen für die zu kumulierenden Vorhaben eingeführt wurden, zB bei thermischen Kraftwerken (Anh 1 Z 4 UVP-G idF BGBl I 2018/80): „Bei Z 4 sind § 3 Abs 2 und § 3a Abs 6 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei Vorhaben der lit  a andere Vorhaben mit bis zu 2 MW, bei Vorhaben der lit c andere Vorhaben mit bis zu 1 MW unberücksichtigt bleiben.“ Siehe weiters Anh 1 Z 19, 20 und 21. 


Gesamtbewertung und Interessenabwägung nach § 17 Abs 5 UVP-G sowie im Rahmen einer NVP; Alternativenprüfung nach § 3a Sbg NSchG 

VwGH 16. 12. 2019, Ra 2018/03/0066 (Schigebietserweiterung)

Das Prüfprogramm der UVP und der NVP unterscheiden sich, wobei die UVP einerseits weiter ist, weil sämtliche Umweltgüter, einschließlich ihrer Wechselwirkungen, in die Betrachtung einzubeziehen sind, während sich die Naturverträglichkeitsprüfung darauf konzentriert, ob das Schutzgebiet die ihm zugedachte Aufgabe innerhalb des Netzwerkes "Natura 2000" im Falle der Verwirklichung des Projektes noch erfüllen können wird. Andererseits ist die UVP enger, weil sie nur den aktuell vorhandenen Zustand der Umweltgüter betrachtet, während die NVP auch den Beeinträchtigungen des Entwicklungspotenziales eines Schutzgebietes nachzugehen hat. Auch bei der Umweltverträglichkeitsprüfung von nicht vom Netzwerk "Natura 2000" umfassten Gebieten ist von einem - im Vergleich zum Sbg NSchG - weiteren, auf sämtliche Umweltgüter ausgedehnten Prüfungsmaßstab auszugehen.
Die Gesamtbewertung gemäß § 17 Abs 5 UVP-G fordert zunächst eine möglichst vollständige Einbeziehung aller vorhabensbedingten Umweltauswirkungen, die dann in einen Gesamtkontext zu stellen sind. IS dieses weiten Prüfungsmaßstabs kommen als schwerwiegende Umweltbelastungen einerseits von den Verwaltungsvorschriften und Abs 2 leg cit nicht erfasste Arten von Umweltbelastungen in Frage, andererseits Umweltbelastungen, die von den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften zwar erfasst werden, nach diesen aber keinen Versagungsgrund bilden, sondern erst aufgrund einer Gesamtbewertung als schwerwiegend eingestuft werden müssen. Insb sind dabei Interessen am Umweltschutz gemäß UVP-G 2000, jene der mitanzuwendenden Materiengesetze (beispielsweise WRG 1959, ForstG 1975, GewO 1994) und solche des Unionsrechts miteinzubeziehen. Der durch die Novelle 2009 neu eingefügte § 17 Abs 5 zweiter Satz UVP-G verdeutlicht, dass bei der Gesamtbewertung auch Ziele der Materiengesetze oder des Unionsrechts, die für die Realisierung des Vorhabens sprechen, iS einer umfassenden Interessenabwägung Berücksichtigung finden sollen. Damit sollen materien- oder gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Interessenabwägungen nicht erst (bzw nicht nur) im Rahmen der (konzentrierten) Genehmigung nach dieser Materie Berücksichtigung finden, sondern insgesamt auch nach § 17 Abs 5 UVPG 2000 einander gegenübergestellt werden
Voraussetzung einer auf Grund einer Interessenabwägung im Grunde des § 3a Abs 2 Sbg NSchG erteilten naturschutzrechtlichen Bewilligung ist, dass zur Maßnahme nachweislich keine geeignete, die Naturschutzinteressen weniger beeinträchtigende Alternativlösung besteht. Die Vorschrift geht von einer Situation aus, in der sich die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange in einer im Wesentlichen vergleichbaren Weise an einem aus Sicht des Naturschutzes günstigeren Standort oder - soweit ein solcher nicht verfügbar ist - durch eine andere Art der Ausführung verwirklichen ließen (vgl VwGH 16. 4. 2004, 2001/10/0156). Als die Naturschutzinteressen weniger beeinträchtigende Alternativen kommen daher Planungs-, Standort- oder Ausführungsvarianten (wie beispielsweise Größenordnung und Umfang) in Betracht (vgl VwGH 24. 2. 2006, 2005/04/0044; 20. 11. 2014, 2011/07/0244, sowie Europäische Kommission-GD Umwelt, Prüfung der Verträglichkeit von Plänen und Projekten mit erheblichen Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiete, 2001, S 32 f).
Aufgrund des der Alternativenprüfung innewohnenden "Vergleichbarkeitsmoment" muss eine Alternative eine im Wesentlichen vergleichbare Verwirklichung der mit dem Projekt angestrebten Ziele gewährleisten (vgl VwGH 23. 6. 2009, 2007/06/0257 mwN). Folglich ist zunächst das angestrebte Ziel des Vorhabens zu bestimmen, welches das Vorhaben nur rechtfertigen kann, wenn es gem § 3a Abs 2 NSchG unmittelbar einem besonders wichtigen öffentlichen Interesse dient (vgl Schlussanträge vom 30. 11. 2006 im Fall Kommission/Finnland, C-342/05, sowie den Leitfaden der Europäischen Kommission zur Entwicklung der Windenergie und Natura 2000, S 99 f). Selbst wenn eine solche Zuordnung möglich ist, darf das Projekt nicht durchgeführt werden, wenn das Ziel mit weniger einschneidenden Mitteln, also durch eine andere geeignete, die Naturschutzinteressen weniger beeinträchtigende Lösung erreicht werden kann (vgl § 3a Abs 2 Z 2 NSchG). Bleibt das mit dem Vorhaben verfolgte Ziel als solches erreichbar, so sind Abstriche bei der beabsichtigten Ausführung als typische Folge des Gebotes, Alternativen zu nutzen, hinnehmbar. IdS ist der vom Vorhabensträger bestimmte Zweck bzw das Ziel des Vorhabens auf die relevanten, mit den öffentlichen Interessen verbundenen, Kernziele auszuweiten, um zu vermeiden, dass durch eine zu enge Zielbestimmung eine Auswahl der zu prüfenden Alternativen eingeschränkt bzw gar ausgeschlossen wird. Zu berücksichtigen ist auch, ob das vom Vorhaben angestrebte Ziel in vergleichbarer Weise bereits durch ein anderes (genehmigtes) Vorhaben verwirklicht ist (vgl VwGH 24.2.2006, 2005/04/0044, mwN).
Zu besonders wichtigen öffentlichen Interessen sind jedenfalls die in Art 6 Abs 4 FFH-RL ausdrücklich genannten Aspekte des Schutzes der Gesundheit, der Umwelt und der öffentlichen Sicherheit, überdies auch weitere Belange des gemeinen Wohls zu rechnen. Insoweit können auch wirtschaftliche und soziale Belange, wie zB die Erhaltung von Arbeitsplätzen und Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung, herangezogen werden, um Ausnahmen vom Schutzregime zu rechtfertigen. Dabei genügt jedoch nicht, dass derartige wichtige Interessen für die Realisierung eines Plans oder Projekts sprechen, sondern sie müssen im Verhältnis zu beeinträchtigten Naturschutzbelangen "überwiegend" und zugleich "zwingend" sind. Mit dieser Verdopplung wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht von vornherein jedes öffentliche Interesse zur Überwindung der Naturschutzbelange ausreicht; es muss sich vielmehr als unerlässlich erweisen (vgl den Auslegungsleitfaden zu Artikel 6 Absatz 4 der "Habitat-Richtlinie" 92/43/EWG, S 9). 
Bei Bestehen einer entsprechenden Flächenwidmung oder eines örtlichen Entwicklungskonzepts  ist eine dieser Widmung entsprechende Bebauung und Nutzung als im öffentlichen und nicht bloß privatem Interesse gelegen zu beurteilen; eine solche Widmung bewirkt aber noch nicht, dass bei der Interessenabwägung iSd § 3a NSchG von vornherein und bindend von einem Überwiegen der Interessen an der Projektausführung auszugehen wäre (vgl VwGH 9. 8. 2006, 2004/10/0235). Bei der Erweiterung von Schipisten zur Sicherstellung der (Leit-)Position als führende Wintersportdestination im Alpenraum iS der Erhaltung bzw Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit handelt es sich (bloß) um betriebswirtschaftliche Interessen, ein besonders wichtiges öffentliches Interesse iSd § 3a NSchG vermag daraus grds nicht abgeleitet zu werden (vgl VwGH 3. 11. 2008, 2007/10/0080).


Zum Umfang der in die Kumulationsprüfung einzubeziehenden Vorhaben und Maßnahmen; örtliche Zuständigkeit für das Feststellungsverfahren bei Bundesländergrenzen überschreitenden Vorhaben

VwGH 17. 12. 2019, Ro 2018/04/0012 (Windpark)

Bei der Einzelfallprüfung wegen Kumulierung iS des § 3 Abs 2 UVP-G ist auf die Auswirkungen der für das Erreichen des Schwellenwerts der Spalten 2 und 3 des Anh 1 heranzuziehenden im räumlichen Zusammenhang stehenden Vorhaben auf die Umwelt, und zwar unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 3 Abs 4 (Merkmale und Standort des Vorhabens sowie Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt) und – bezogen auf die durch das Vorhaben betroffenen Schutzgüter – unter Berücksichtigung der Belastungen, die von Projekten im räumlichen Zusammenhang ausgehen, Bedacht zu nehmen. Da nach dem U des EuGH v 11. 2. 2011, Marktgemeinde Strasswalchen ua, C-531/13, die Prüfung der kumulativen Auswirkungen nicht allein auf gleichartige Projekte beschränkt ist, könnte auch ein Pumpspeicherkraftwerk schutzgutbezogen in die Kumulationsprüfung mit einem Windpark einbezogen werden.

Bei dieser Beurteilung im Zuge der als Grobprüfung durchzuführenden Einzelfallprüfung, ob die Umweltauswirkungen eines Projekts wegen der Auswirkungen anderer Projekte größeres Gewicht haben können als bei deren Fehlen, müssen nicht nur bestehende, sondern auch geplante Projekte (inklusiver geplanter Ausgleichsmaßnahmen) berücksichtigt werden (vgl VwGH 30. 6. 2016, Ra 2016/07/0034, Rn 28; 29. 11. 2016, Ra 2016/06/0068, Rn 37), soweit diese Projekte bereits genehmigt oder mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Gegen diese mit der UVP-Nov BGBl I 2017/58 eingeführte zeitliche Begrenzung des Anwendungsbereichs für die Kumulationsprüfung bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken.

Im Genehmigungsantrag aufgenommene Ausgleichsmaßnahmen bzw behördlich vorgeschriebene Ausgleichsmaßnahmen in Bezug auf bereits genehmigte, aber noch nicht errichtete Vorhaben sind bei der Kumulationsprüfung in die Beurteilung einzubeziehen, weil das Gesetz die Prüfung nicht auf für die Umwelt negative Effekte beschränkt.

Das Vorhaben beschränkt sich nicht auf die jeweilige technische Anlage, sondern umfasst auch alle mit dieser in ihrem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen (vgl VwGH 29. 3. 2017, Ro 2015/05/0022, Rn 68, mwN). Ausgehend davon handelt es sich bei der Mitbenutzung eines bestehenden Erschließungsweges für den Bau und den Betrieb einer 380 kV-Leitung auf einer Länge von 400 m als Zufahrts- bzw Verbindungsweg zwischen den projektgegenständlichen Windkraftanlagen um einen Bestandteil des Vorhabens.

§ 3 Abs 2 UVP-G soll eine Umgehung der UVP-Pflicht verhindern. Die knappe Unterschreitung des Schwellenwertes für Windkraftanlagen erlaubt aufgrund der in diesem Fall durchzuführenden Einzelfallprüfung – im Gegensatz zu Fällen der Aufsplitterung von Vorhaben etwa betreffend ihre Kapazität auf weniger als 25 % des Schwellenwerts, um die Durchführung einer Einzelfallprüfung gemäß § 3 Abs 2 UVP-G zu vermeiden und eine UVP-Pflicht von vornherein auszuschließen (vgl dazu etwa VwGH 29. 3. 2006, 2004/04/0129) – nicht  die Annahme eines Umgehungsprojekts, für die der knapp unterschrittene Schwellenwert nicht gilt und jedenfalls eine UVP-Pflicht bestünde.

In Bezug auf die Zusammenrechnung von Rodungsflächen sind auch die Zufahrt und die Trasse der Energieableitung sowie auch Rodungen von mit dem gegenständlichen Vorhaben im räumlichen Zusammenhang stehenden eingereichten bzw genehmigten Projekten zu berücksichtigen.

Soweit die örtliche Zuständigkeit der UVP-Beh sich weder aus § 39 Abs 4 UVP-G idF BGBl I 2017/111*) noch aus § 3 Z 1 und 2 AVG ergibt, ist auf den Auffangtatbestand der Z 3 leg cit abzustellen, nach der sich die örtliche Zuständigkeit in sonstigen Fällen zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles richtet. Es kommt daher in diesem Fall auf den Sitz der Projektwerberin an.


*)  Nunmehr geändert durch BGBl I 2018/80: Erstreckt sich ein Vorhaben über mehrere Bundesländer, so ist für das Verfahren gem § 3 Abs 7 die Beh jenes Landes örtlich zuständig, in dem sich der Hauptteil des Vorhabens befindet. Beh und Organe des anderen von der Lage des Vorhabens berührten Bundeslandes haben im Verfahren nach § 3 Abs 7 Parteistellung und die mitwirkenden Beh und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan der berührten Bundesländer sind vor der Entscheidung zu hören.













 
















































UVP-Verfahren im (Auf-)Wind?

  Als Teil des von der Bundesregierung beschlossenen   „Energiepakets“   ist am 23. März 2023 die novellierte Fassung des   Umweltverträglic...