Mittwoch, 29. Juli 2015

UVP-Übergangsbestimmung für den 3. Abschnitt nicht verfassungswidrig

Der Verfassungsgerichtshof hat mit einem Beschluss vom 30. Juni 2015, E 788/2015, eine Beschwerde abgelehnt, die die Verfassungswidrigkeit der Übergangsbestimmung des § 46 Abs 24 Z 5 UVP-G geltend machte.

Gleichzeitig mit ihrer Beschwerde gegen die vom BMVIT erteilte Genehmigung für den Bau der A 26 - Linzer Autobahn hatten die Beschwerdeführer beantragt, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Das Bundesverwaltungsgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 17. März 2015 ab (ZVG-Slg 2015/59, 279).

In der dagegen an den VfGH erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung für Projekte, die bis Ende 2012 eingereicht wurden (§ 46 Abs 24 Z 5 UVP-G) verfassungsrechtlich bedenklich sei.

Diese Bedenken hat der VfGH nicht geteilt. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Höchstgericht abgelehnt.
Aus der Begründung:

Soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften (konkret die Verfassungswidrigkeit des § 46 Abs. 24 Z 5 UVP-G 2000) behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden in § 56 Abs. 1 OÖ BauO 1994 vgl. VfGH 12.3.2015, E 58/2015) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Im Falle von (UVP-pflichtigen Bundesstraßen-)Vorhaben, deren behördliches Genehmigungsverfahren bis Ende 2012 eingeleitet worden und mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz noch nicht abgeschlossen ist, kann von einer Schlechterstellung schon deshalb keine Rede sein, weil für solche Verfahren nach alter Rechtslage (dh. vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz) gemäß § 5 USG 2000 die Möglichkeit der Erhebung eines Rechtsmittels an den Umweltsenat nicht gegeben war (und sich die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sohin nicht stellte).

Überdies steht dem Gesetzgeber bei der Festsetzung von Stichtagsregelungen, die notwendig ein gewisses Maß an Beliebigkeit aufweisen, unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (vgl. VfSlg 16.370/2001, 17.238/2004, 19.308/2011).

Dienstag, 28. Juli 2015

Neue Verordnung über belastete Gebiete Luft nach Anhang 2 UVP-G

Die wichtige Verordnung über die Festsetzung der Schutzgebiete der Kategorie D im Sinne des Anhanges 2 des UVP-G 2000 wurde nach sieben Jahren neu erlassen. Die mit BGBl II Nr 166/2015 kundgemachte neue Verordnung ersetzt die VO BGBl II Nr 483/2008 und ist am 25. Juni 2015 in Kraft getreten.

Für Vorhaben, die in den in der Verordnung genannten Gebieten liegen, sind für die Frage der UVP-Pflicht die niedrigeren Schwellenwerte der Spalte 3 des UVP-G 2000 maßgeblich. Die Schwellenwerte der Spalte 3 betreffen Vorhaben in besonders geschützten Gebieten - darunter die "belasteten Gebiete (Luft)" der Kategorie D und sind in der Regel um 50 %  niedriger als die in Spalte 1 und 2 festgesetzten Schwellenwerte. Werden nur die Schwellenwerte der Spalte 3 erreicht, so führt dies zu einer Einzelfallprüfung durch die UVP-Behörde nach § 3 Abs 4 und Abs 4a UVP-G, während die Schwellenwerte der Spalten 1 und 2 sogleich die Notwendigkeit einer UVP nach sich ziehen.
Eine UVP-Pflicht tritt bei Vorhaben, die nach ihrer Kapazität der Spalte 3 unterliegen, ein, wenn festgestellt wird, dass durch das Vorhaben mit erheblichen schädlichen oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UVP-G zu rechnen ist. Die Einzelfallprüfung bezieht sich, wenn sich die UVP-Prüfpflicht aus der Verordnung über die Festsetzung der belasteten Gebiete (Luft) ergibt, auf jene(n) Schadestoff(e), die in der Verordnung als Begründung für deren Aufnahme in die VO angegeben sind.
Die Verordnung enthält jene Gebiete, in denen die Immissionsgrenzwerte des Immissionsschutzgesetzes – Luft (BGBl. I Nr. 115/1997 idF BGBl. I Nr. 77/2010, wiederholt oder auf längere Zeit überschritten werden, und jene Luftschadstoffe, hinsichtlich deren diese Überschreitungen gemessen wurden.
Bei den durch die Verordnung festgesetzten Gebieten handelt es sich entweder um vollständig erfasste Katastralgemeinden bzw im Fall des Burgenlandes ein vollständig erfasstes Landesgebiet oder Gebiete, die durch Lagepläne näher beschrieben werden. Die Lagepläne sind als
Anlagen der Verordnung angeschlossen.  

Donnerstag, 23. Juli 2015

VwGH-Erkenntnis zur Bindungswirkung von UVP-Feststellungsbescheiden ergangen

Der VwGH hat nun den vom EuGH in einer Vorabentscheidung behandelten Fall „Karoline Gruber" entschieden. Die Entscheidung lässt allerdings weitgehend offen, wie von Verwaltungsgerichten und Behörden weiter vorzugehen ist.

Der VwGH hat mit seinem Erkenntnis vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002, die angefochtene Betriebsanlagengenehmigung für ein Fachmarktzentrum in Klagenfurt wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben, weil die Gewerbebehörde unter Hinweis auf einen – die Behörde bindenden – UVP-Feststellungsbescheid auf den Einwand einer Nachbarin, dass das Vorhaben UVP-pflichtig sei, nicht näher eingegangen war.
Begründung des VwGH
Begründend verweist der Gerichtshof darauf, dass die Nachbarin der geplanten Betriebsanlage an den UVP-Feststellungsbescheid, nach dem für das Projekt keine UVP durchgeführt werden müsse, nicht gebunden ist. Dem Urteil des EuGH vom 16. April 2015, C-570/13 sei zu entnehmen, dass die Entscheidung, keine UVP durchzuführen, als Entscheidung im Sinne des Art 11 UVP-RL anzusehen ist. Daher steht dem Nachbarn als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit dagegen eine Rechtsbehelfsmöglichkeit zu, die von der bisherigen österreichischen Judikatur aber im Falle eines UVP-Feststellungsbescheides aufgrund der angenommenen Bindungswirkung solcher Bescheide verneint worden war.
Weiter führt der VwGH aus, dass dem Nachbarn (konkret auch einer Grundstückseigentümerin, die das Nachbargrundstück in ihrer Freizeit und zur Erholung nur vorübergehend nutzt) schon nach der bisherigen Rechtsprechung im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren ein subjektives Recht auf Einhaltung der gesetzlich normierten Zuständigkeiten zusteht und man daher schon bisher einwenden habe können, es sei keine UVP durchgeführt worden. Nach der Rsp des VwGH habe die (Fach-)Behörde ihre Zuständigkeit außerdem schon von Amts wegen zu prüfen und „auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen im angefochtenen Bescheid darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht".
Neu ist jedoch nun, dass die Behörde bei dieser Prüfung sich nicht mit dem Verweis auf eine vorliegende rechtskräftige UVP-Negativ-Feststellung begnügen kann. Denn der EuGH hat im Urteil „Gruber" ausgesprochen, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit haben müssen, die Feststellungsentscheidung „im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Im vorliegenden Fall sei der Nachbarin der UVP-Feststellungsbescheid erst nachträglich zur Kenntnis gelangt, ihr aber (mangels Parteistellung gemäß § 3 Abs 7 UVP-G) nicht zugestellt worden. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse in diesem Fall festgestellt werden, dass der Feststellungsbescheid „gegenüber diesen Nachbarn keine Bindungswirkung hat (Tenor des Urteils ‚Gruber‘)".
Fazit des VwGH: „Somit ist entgegen der bisherigen […] Rechtsprechung davon auszugehen, dass der UVP-Feststellungsbescheid gegenüber diesen Nachbarn keine Bindungswirkung hat. […] Vor diesem Hintergrund war der angefochtene Bescheid", der auf den Einwand der UVP-Pflicht wegen der Negativfeststellung nicht eingegangen war, „wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben".
Wie ist nun mit dem Einwand einer UVP-Pflicht umzugehen?
Das Erkenntnis lässt offen, wie von dem nach Bescheidaufhebung nun zuständigen Verwaltungsgericht bzw der Gewerbebehörde weiter vorzugehen ist. Die spärlichen Hinweise im Erkenntnis können in zwei Richtungen gedeutet werden: Einerseits wird – wie oben referiert – ausgeführt, dass die Gewerbebehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeitsprüfung „nachvollziehbare Feststellungen" zur Frage einer UVP-Pflicht zu treffen hat.
Das kann darauf hindeuten, dass durch die Materienbehörde oder das für diese Materie zuständige Verwaltungsgericht nun ein Beweisverfahren über die UVP-Pflicht durchzuführen ist (wobei sämtliche Beweismittel aus dem bereits abgeführten UVP-Feststellungsverfahren herangezogen werden können). In diesem Sinne habe ich mich in meiner Besprechung des EuGH-Urteils in der Zeitschrift RdU vom Juni 2015/84 geäußert. Dagegen spricht auch nicht der nunmehrige Hinweis des VwGH, dass eine „Durchführung der UVP durch die belangte Behörde als UVP-Behörde […] nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil ‚Gruber‘ unionsrechtlich unzulässig [ist], da der EuGH festhielt, dass ‚ein Verfahren wie das u.a. durch die §§ 74 Abs. 2 und 77 Abs. 1 der Gewerbeordnung geregelte nicht den Erfordernissen der Unionsregelung über die Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen" kann (vgl. Rn. 47), und damit die Möglichkeit einer de facto-UVP (zumindest) im Rahmen des gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahrens ausschloss […]." Diese Aussage zur Unzulässigkeit einer de facto-Prüfung in einem materienrechtlichen Genehmigungsverfahren bezieht sich nämlich nicht auf die Prüfung der UVP-Pflicht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung.
Andererseits erwähnt der VwGH im Zusammenhang mit der fehlenden Bindungswirkung der UVP-Feststellung ausdrücklich, dass der Nachbarin der UVP-Feststellungsbescheid nicht zugestellt worden sei. Aus diesem Hinweis könnte man folgern, dass für den Fall einer Zustellung des Feststellungsbescheids durch die UVP-Behörde an die Nachbarin von dieser ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid hätte erhoben werden können, wodurch die unionsrechtlich gebotene Überprüfung gegeben wäre. Sind Nachbarn daher nun als „übergangene Parteien" in schon durchgeführten UVP-Feststellungsverfahren zu behandeln, können sie Bescheidzustellung beantragen und Beschwerde gegen den Bescheid an das BVwG erheben? 
Meines Erachtens ist bis zum Ergehen einer gesetzlichen Neuregelung jene Variante vorzuziehen, die die Prüfung der UVP-Pflicht der Materienbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeitsprüfung überantwortet. Dass der Gesetzgeber die Nachbarn am UVP-Feststellungsverfahren nicht beteiligen wollte, ist eindeutig, und nach dem EuGH ist eine unmittelbare Anfechtungsmöglichkeit von UVP-Feststellungsbescheiden nicht zwingend. Vielmehr hat der EuGH das Unionsrecht im Urteil vom 16. April 2015 ausdrücklich dahin ausgelegt, dass eine UVP-Feststellung entweder „im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs" angefochten werden kann (Rn 44). In diesem Sinne hat nun auch das BVwG im Fall "Biomasse-HKW Klagenfurt" entschieden und dort ausgeführt:


"Vielmehr kann dem Unionsrecht auch dadurch Genüge getan werden,  dass  dem  Nachbarn  das  Recht  auf  Klärung  der  Frage  der  UVP-Pflicht  in  einem (materienrechtlichen) Genehmigungsverfahren zusteht. Im    Rahmen    eines    derartigen Verfahrens kann  die  dort  zuständige Behörde etwa als  mitwirkende  Behörde  bei  der  UVP-Behörde   einen   Feststellungsantrag   nach   §   3   Abs.   7   UVP-G   2000   stellen und   unter Auseinandersetzung   mit   dem   daraufhin   ergehenden   oder   mit   einem   bereits   früher erlassenen Feststellungsbescheid eine Entscheidung treffen.

Dies  gilt  jedenfalls  bis  zur  Verankerung  einer  unionsrechtskonformen  Lösung  durch  den Gesetzgeber im UVP-G 2000."
Eine gesetzliche Neuregelung könnte mE so aussehen, dass Nachbarn dasselbe Beschwerderecht eingeräumt wird, welches schon derzeit den Umweltorganisationen nach § 3 Abs 7a UVP-G zukommt. Die Einräumung einer Parteistellung oder eine Antragsrechtes im UVP-Feststellungsverfahren erscheint nicht erforderlich (vgl dazu im Einzelnen meine Entscheidungsanmerkung im RdU 2015/84).
Anhängige Fälle
In den anhängigen Fällen wäre auf die von Nachbarn in den Genehmigungsverfahren erhobenen Einwendungen nun ungeachtet des Vorliegens einer UVP-Negativfeststellung von der Materienbehörde oder dem Verwaltungsgericht einzugehen, und es sind im Sinne des Erkenntnisses des VwGH „nachvollziehbare Feststellungen" zur Beurteilung der UVP-Pflicht zu treffen (durchaus unter Heranziehung der Ergebnisse eines abgeführten oder durch die Materienbehörde als "mitwirkende Behörde" iS des § 3 Abs 7 UVP-G erst eingeleiteten Einzelfallprüfungs- oder Feststellungsverfahren, zu denen dem Nachbarn gegebenenfalls Parteiengehör zu gewähren wäre). In speziellen Konstellationen, in denen keine ergänzenden Beweise notwendig sind, könnte diese Prüfung mE sogar in Verfahren, die beim VwGH anhängig sind, vom Verwaltungsgerichtshof selbst vorgenommen werden – etwa dann, wenn im Wesentlichen nur rechtliche Einwände gegen einen vorliegenden Feststellungsbescheid zu beurteilen sind.
Mit dem Erkenntnis vom 22. Juni 2015 hat der VwGH erste Hinweise zu diesen Fragen gegeben. Doch das Match um UVP und Nachbarbeteiligung bleibt spannend. Fortsetzung folgt ...

UVP-Verfahren im (Auf-)Wind?

  Als Teil des von der Bundesregierung beschlossenen   „Energiepakets“   ist am 23. März 2023 die novellierte Fassung des   Umweltverträglic...